Starbuck. Der Rebell: Buch 1 (Die Starbuck-Serie)
Fenstern, das auf der flachen Hügelkuppe stand. «Sie haben einen Diener geschickt, um zu fragen, ob es für sie sicher ist hierzubleiben.»
«Was hast du geantwortet?»
«Wie hätte ich denn irgendetwas sagen können? Ich habe keine Ahnung, was heute noch alles passiert. Aber weißt du, wer dort wohnt?»
«Woher um alles in der Welt sollte ich das wissen?»
«Die Witwe vom Schiffsarzt der USS Constitution . Ist das nicht unglaublich? Surgeon Henry wurde er genannt.» Adams Tonfall klang sehr gekünstelt, so als bräuchte er all seine Selbstdisziplin, um seine Gefühle zu beherrschen. Er hatte seinem Vater zuliebe die Uniform mit den drei Streifen eines Captains am Kragen angelegt, weil das einfacher war, als sich in das Sackleinengewand eines Märtyrers zu hüllen, doch an diesem Tag musste er den wahren Preis für diesen Kompromiss zahlen, und bei dem Gedanken daran wurde ihm schlecht. Er fächelte sich mit seinem breitrandigen Hut Luft zu, dann schaute er ostwärts, wo der wolkenlose Himmel aussah wie ein Stück getriebenes Silber, auf dem ein blitzender goldfarbener Widerschein lag. «Kannst du dir vorstellen, was heute Mittag sein wird?», fragte Adam.
Starbuck lächelte. «Wie man Silber, Erz, Eisen, Blei und Zinn zusammentut im Ofen, dass man ein Feuer darunter aufblase und zerschmelze es, also will ich euch auch in meinem Zorn und Grimm zusammentun, einlegen und schmelzen.» Er stellte sich vor, wie er sich in einem heißen Luftschwall des Schmelzofens krümmen würde, ein Sünder, der für seine Schuld brannte. «Ezechiel», erklärte er Adam, dessen Miene verriet, dass er den Text nicht hatte einordnen können.
«Das ist kein sehr aufmunterndes Zitat für einen Sonntagmorgen», sagte Adam und erschauerte unwillkürlich, als er an all das dachte, was dieser Tag noch bringen mochte. «Glaubst du wirklich, du könntest ein guter Soldat werden?», fragte er.
«Ja.» Ich habe in allem anderen versagt, dachte Starbuck bitter.
«Jedenfalls siehst du wie ein Soldat aus.» Adam klang ein wenig neidisch.
«Und wie sieht ein Soldat aus?», fragte Starbuck belustigt.
«Wie jemand aus einem Roman von Walter Scott», antwortete Adam sofort, « Ivanhoe , vielleicht?»
Starbuck lachte. «Meine Großmutter MacPhail hat immer gesagt, ich hätte ein Pastorengesicht. Wie mein Vater.» Und Sally hatte gesagt, er habe Augen wie ihr Vater.
Adam setzte den Hut wieder auf. «Ich vermute, dein Vater predigt heute morgen allen Sklavenhaltern Verdammnis.» Er wollte sich einfach nur unterhalten, ganz gleich worüber, einfach nur Geräusche erzeugen, um sich von seinen Gedanken über die Schrecken des Krieges abzulenken.
«Ja, Verdammnis und Fegefeuer werden bestimmt heraufbeschworen, um die Sache des Nordens zu unterstützen», stimmte ihm Starbuck zu, und auf einmal stürmten Bilder von seinem bequemen Bostoner Zuhause auf ihn ein, wo seine jüngeren Brüder und Schwestern nun wohl gerade aufwachten und sich für das Frühgebet in der Familie bereit machten. Würden sie an diesem Morgen daran denken, für ihn zu beten? Seine ältere Schwester würde es nicht tun. Mit neunzehn Jahren hatte Ellen Marjory Starbuck schon genauso festgefahrene Ansichten wie eine griesgrämige Frau mittleren Alters. Sie war mit einem Gemeindepastor aus New Hampshire verlobt, einem Mann von unendlicher Tücke und gezielter Unfreundlichkeit, und statt Nathaniel Gottes Schutz zu empfehlen, würde Ellen zweifellos für ihren älteren Bruder James beten, der, wie Starbuck annahm, zum Militär gegangen war, obwohl er sich den langweiligen, pedantischen James beim besten Willen nicht auf dem Schlachtfeld vorstellen konnte. James würde viel besser nach Washington oder Boston in die Amtsstuben eines Hauptquartiers passen – dort könnte er pingelige Listen schreiben und detailreiche Verordnungen in Kraft setzen.
Die jüngeren Kinder würden für Nathaniel beten, allerdings müsste ihr Flehen gezwungenermaßen schweigend erfolgen, um nicht den Zorn des Reverend Elial herauszufordern. Da war der sechzehnjährige Frederick George, der mit einem verkrüppelten Arm geboren war, die fünfzehnjährige Martha Abigail, die Nathaniel in Aussehen und Charakter am meisten glich, und dann noch der zwölfjährige Samuel Washington Starbuck, der Kapitän auf einem Walfänger werden wollte. Fünf weitere Kinder waren als Säuglinge gestorben.
«Woran denkst du?», fragte Adam unvermittelt, um seine Nervosität loszuwerden.
«Ich habe über Familie nachgedacht»,
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