Starbuck. Der Verräter (German Edition)
dennoch da. Es war das Geräusch von Kanonenschüssen. Belvedere hörte das ferne Geschützfeuer und legte die Nordstaatenflagge in seinem Salon bereit, damit er sie als Gruß an die siegreichen Yankees aus dem Fenster hängen konnte. Er fragte sich, ob sein Brief rechtzeitig in Washington eintreffen würde oder ob der Krieg vorbei wäre, bevor Starbucks Verrat entdeckt wurde. Irgendwie hoffte er, dass der junge Nordstaatler überleben würde, denn Starbuck war ein gutaussehender Schuft, aber eben trotzdem ein Schuft, was vermutlich bedeutete, dass er so oder so am Galgen enden würde. Delaney würde seinen Tod bedauern, aber in dieser Zeit des Todes machte eine Leiche mehr oder weniger keinen großen Unterschied. Es wäre schade, aber viel mehr nicht. Der Anwalt lauschte auf das Geräusch der fernen Kanonen und betete, dass es die Niederlage der Rebellion bedeutete.
Die ersten Yankees, die auf Starbuck aufmerksam wurden, waren Infanteristen des 5 th New Hampshire, die ihn für einen versprengten Südstaatler hielten und ihn mit vorgehaltenem Bajonett zu ihrem Adjutanten führten, einem hageren Captain mit struppigem Bart und einer dicken Brille, der auf seinem Schecken saß und durch den Regen auf den verdreckten Gefangenen hinuntersah. «Habt ihr den elenden Bastard durchsucht?», fragte der Captain.
«Er hat nichts», antwortete einer der Männer, die Starbuck gefangen genommen hatten. «Arm wie ein ehrlicher Anwalt.»
«Bring ihn zur Brigade», befahl der Captain. «Und wenn das zu umständlich ist, erschießt den Bastard, wenn gerade keiner hinschaut. Das ist es nämlich, was Deserteure verdienen, eine Kugel.» Er grinste Starbuck schief an, als wollte er ihn herausfordern, diesem Urteil zu widersprechen.
«Ich bin kein Deserteur», sagte Starbuck.
«Hab ich auch nicht gedacht, Reb. Ich schätze, du bist einfach nur ein fußlahmer Bastard. Schätze, ich würde den Sezessionisten sogar noch einen Gefallen tun, wenn ich dich einfach umbringe.» Der Captain nahm die Zügel kürzer und machte eine auffordernde Bewegung mit dem Kinn. «Bringt den Bastard weg.»
«Ich habe eine Nachricht bei mir», sagte Starbuck verzweifelt. «Ich bin kein Deserteur und kein Nachzügler. Ich habe eine Nachricht für Major James Starbuck vom Geheimdienst. Ich habe die Nachricht vorgestern Abend in Richmond bekommen!»
Der Captain warf Starbuck einen langen, verbitterten Blick zu. «Junge», sagte er schließlich, «ich bin hundemüde, völlig ausgehungert und nass bis auf die Haut, und ich will einfach nur zu Hause in Manchester sein; wenn du also hier meine Zeit verschwendest, könnte es sein, dass ich dich so verdammt über habe, dass ich deinen elenden Kadaver verscharre, ohne vorher eine Kugel an ihn zu vergeuden. Also, überzeug mich, Bursche.»
«Dazu muss ich mir ein Messer ausleihen.»
Der Captain sah die beiden kräftigen Männer an, die Starbuck gefangen hatten, und grinste bei dem Gedanken, dass der Gefangene vorhaben könnte, gegen sie zu kämpfen. «Willst du den Helden spielen, Rebell, oder geht’s dir einfach nur zu gut?»
«Ein kleines Messer», sagte Starbuck erschöpft.
Der Captain tastete in den Schichten seiner feuchter Kleidung herum. Hinter ihm stapfte die Infanterie von New Hampshire die morastige Straße entlang, Regen tropfte von langen Uniformmänteln, die sie wie Umhänge über ihren Habersäcken trugen. Ein paar sahen Starbuck neugierig an, versuchten, in diesem abgewetzten grauen Uniformrock und den geflickten Flatterhosen das Wirken des Teufels zu erkennen, das die Pfarrer im Norden beschrieben hatten.
Der Captain förderte ein kleines Walrosszahn-Taschenmesser zutage, und Starbuck schnitt damit die Naht seines Hosenbundes auf. Er zog das Wachstuchpäckchen heraus und reichte es dem Captain hinauf. «Es sollte nicht nass werden, Sir», sagte Starbuck.
Der Captain faltete das Päckchen auseinander, dann schlitzte er es auf und hatte die Blätter aus Dünndruckpapier vor sich. Er fluchte, als ein Regentropfen auf die oberste Seite fiel und augenblicklich ein Wort unleserlich machte. Dann beugte er sich vor, um das Papier mit seinem Körper vor dem Regen zu schützen. Er schob die regenbespritzte Brille auf seine Nasenspitze und spähte über ihren Rand auf die engbeschriebenen Seiten, und was er las, überzeugte ihn vollkommen von Starbucks Ehrlichkeit, denn er faltete die Papiere sorgsam zusammen und steckte sie wieder in die Wachstuchhülle, die er dann Starbuck zurückgab. «Du machst
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