Starke Frauen
gibt«
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Und draußen? Eine Welt im Umbruch. 1917 kommt endlich die ersehnte Revolution, aber nach Russland. Lenin ruft die Diktatur des Proletariats aus. Am 11. November 1918 wird der Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich unterschrieben, am 9. November die Weimarer Republik ausgerufen. Der letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II. dankt ab.
Rosa wird am 8. November aus der Haft entlassen, eilt nach Berlin,gründet mit Karl Liebknecht den Spartakusbund, aus dem am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands wird. Das Programm stammt aus ihrer Feder. Ein am 5. Januar ausgerufener, von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Spartakisten und Reichswehr begleiteter Generalstreik (Spartakusaufstand) lässt eine Revolution nach russischem Vorbild näher rücken. Aber auch die rechtsradikalen Kräfte formieren sich: »Ich fühle keine Angst, keinen Schmerz, keine Einsamkeit, gerade wie eine Leiche.«
Am 15. Januar 1919 wird Rosa Luxemburg, knapp 48 Jahre alt, zusammen mit Karl Liebknecht von den Soldaten der Garde-Kavallerie-Schützendivision in deren Stabsquartier im Berliner Hotel »Eden« geschleppt. Sie hat keine Zweifel, was ihr bevorsteht: »Man muss stolz sein und nichts zeigen.« Sie wird misshandelt, aus nächster Nähe in den Kopf geschossen (»Die alte Sau hat nicht mehr verdient«), die Tote in das schlammige Wasser des Landwehrkanals geworfen. Die Genossen beerdigen am 25. Januar einen leeren Sarg; ihre Leiche wird erst vier Monate später an einer Schleuse gefunden.
Rosa, die ihre Blumenkästen rosa strich, ihre Katze Mimi (ein Streuner, den sie verletzt auf einer Straße fand und in ihrem Mietzimmer gesund pflegte) über alles liebte und, falls nicht unterwegs oder im Knast, zweimal täglich kalte Bäder nahm, lebte für eine Utopie. Und war bereit, den Preis dafür zu akzeptieren.
Wenige Monate zuvor schrieb sie: »Ich möchte auch nichts aus meinem Leben missen und nichts anders haben ... Ich fühle mich in der ganzen Welt zu Hause, wo es Wolken und Vögel und Menschentränen gibt. Ich habe manchmal das Gefühl, ich bin kein richtiger Mensch, sondern auch irgendein Vogel.« Rosas letzter Wunsch: »Auf meiner Grabtafel dürfen nur zwei Silben stehen. Zwi-Zwi. Das ist nämlich der Ruf der Kohlmeisen, die ich so gut nachmache, dass sie sofort herlaufen.«
Wien, die Kapitale des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs, sprüht um 1900 vor Lebenslust und charmanter Selbstironie. Man tanzt Johann-Strauß-Walzer, tratscht im Kaffeehaus, kleidet sich à la Sisi und verehrt seine Künstler mehr als den Adel.
Auch Almas Vater, ein Landschaftsmaler, genießt es, die Kreativsten seiner Zeitgenossen auf seinem Schloss Plankenberg zu bewirten. Alma, die Erstgeborene, inhaliert die geistreichen Dispute der Gäste wie köstliche Düfte. Sie weiß, wie witzig, manchmal gar verletzend sie sein kann, und amüsiert sich. Selbstzweifel? Schon für den pummeligen Teenager ein Fremdwort ... Als Papa stirbt, ist sie 13.
Einer der Gäste, Max Burckhardt, Direktor des Burgtheaters, bringt ihr Bücher (u. a. Nietzsche) und bespricht mit ihr die Theaterpremieren. An sich ein idealer Vaterersatz, hätte er (25 Jahre älter) sich nicht verliebt. Alma reizt und quält ihn. Zwei Jahre später bezirzt sie den Maler Gustav Klimt. Sie schwören sich ewige Liebe, er (17 Jahre älter, 14 uneheliche Kinder) will sie entführen, Almas Familie greift ein, Klimt verteidigt sich geradezu prophetisch: »Ich glaube, dass sie überall, wo sie in der Männerwelt auftritt, zur Herrin und Gebieterin wird.« Es folgt der Klavierlehrer, Alexander von Zemlinsky: »Ein kleiner, widerlicher, zahnloser, ungewaschener Zwerg ohne Kinn«, notiert Alma, und doch »sehne ich mich nach seinen Umarmungen. Ich werde nie vergessen können, wie seine Berührung mich in tiefster Seele aufgewühlt hat ... ich möchte vor ihm knien und seinen offenen Schoß küssen – alles, alles küssen. Amen!«. Sie raubt ihm (7 Jahre älter) fast den Verstand, lässt sich von anderen umwerben, bleibt aber Jungfrau ...
Alma ist gerade 20, doch ihr Verhaltensmuster steht fest: Das Objekt ihrer Begierde muss weder Adonis noch Rothschild sein, lediglich genial. Aber: Ein Genie allein reicht nicht immer, sie steht auf Parallel-Affären. Und schreibt fleißig Tagebuch.
21 Tage nach der ersten Begegnung macht Gustav Mahler, Komponist und Direktor der Hofoper, dem »schönsten Mädchen Wiens« einen Antrag. Alma fragt sich: »Liebe ich ihn
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