Starke Frauen
wirklich? Ich habe keine Ahnung. Da ist so viel, was mich an ihm stört: sein Geruch, seine Art zu singen, irgendetwas an seiner Sprechweise.« Mahler (19 Jahre älter) ist kleiner als sie, kaut an den Nägeln, meidet Empfänge. Und gesteht ihr, »Jungmann« zu sein.
Alma, absolut sicher, Abhilfe schaffen zu können, küsst ihn gekonnt:»Seine Manneskraft lässt ihn im Stich ... Er liegt da und schluchzt vor Scham ... verzagt, fassungslos!« Sie ist aufgewühlt, »doch unbefriedigt. Diese Qualen!«, klagt sie ihrem Tagebuch. Andererseits, der »Genie-Faktor« funktioniert: »Der Kerl besteht nur aus Sauerstoff. Man verbrennt sich, wenn man ihm zu nahe kommt.« Also stellt die begnadete Pianistin dem Opernchef ihre Gretchenfrage: »Würden Sie mich als Kapellmeister einstellen?« – »Ja«, sagt er.
Jetzt ist sie bereit zu heiraten, besteht aber auf einer »Generalprobe« im Bett. Es klappt, Alma wird schwanger und jubelt: »Ich bin bis zum Rand von meiner Mission erfüllt, diesem Genie den Weg zu ebnen.« Auch der Workaholic gibt ihr noch vor der Hochzeit schriftlich, was er von ihr erwartet: »Du hast von nun an nur einen Beruf – mich glücklich zu machen!« Von jetzt an heißt Almas Los: Zerrissenheit – zwischen dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und dem Zwang, sich unterzuordnen. Die Ehekrise ist programmiert. Alma langweilt sich zu Tode (»Ich vegetiere vor mich hin«), und nachdem ihre vierjährige Tochter stirbt, betäubt sie ihre Leere mit Alkohol. Außerdem ist Gatte Gustav wieder impotent. Ihr gemeinsamer Freund Sigmund Freud stellt während einer Analyse fest, dass er in jeder Frau seine Mutter sucht, und rät ihm, Alma im Bett mit dem Namen seiner Mama anzusprechen. Mit dieser Lizenz zum virtuellen Inzest ausgestattet, »kann« Mahler wieder. (Über Freuds hohe Rechnung regt sich Alma noch eine halbes Jahrhundert später auf !)
Zwischenzeitlich vergnügt sie sich mit Mahlers Kollegen Hans Pfitzner: »Ich bekämpfte die sinnliche Erregung nicht, die seine Berührung hervorruft. Eine Erregung, die ich so lange entbehrt habe.« Es bleibt bei einem heftigen Flirt, da der Dirigent kein Genie ist. Ein deutscher Architekt (vier Jahre jünger als sie) hingegen, den sie während ihres Kuraufenthalts trifft, ist es schon: Walter Gropius. Frau Mahler fühlt sich nach der ersten Liebesnacht mit dem Berliner Bauhaus-Gründer wie befreit: Da hätten sich »zwei Seelen gefunden, und zwei Körper hatten sich dabei vergessen ... Wann wird die Zeit kommen, wo du nackt auf meinem Leib liegst, wo uns nichts trennen kann als höchstens der Schlaf ?«
Mahler erwischt sie in flagranti, bewahrt Fassung (genau wie später Gropius in derselben Situation), fordert lediglich seine Frau auf: »Entscheide dich.« Plötzlich hat er Angst, sie zu verlieren. Er widmet Almaeine Sinfonie, macht Geschenke, zeugt eine zweite Tochter: »Für dich leben! Für dich sterben, Almschi!« Keiner von beiden ahnt, dass Mahler kaum ein Jahr später mit 51 stirbt.
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»Jeder Mensch kann alles, aber er muss auch zu allem bereit sein«
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Alma ist 32, Mahlers Pension macht sie unabhängig. Als Frau ist sie begehrter denn je, sie hat schließlich einem »Star« gehört. Und das ist (heute noch) ein unwiderstehliches Gütesiegel. Nicht zu vergessen: In der Warteschleife lauert schon das nächste Genie, der Maler Oskar Kokoschka. Sie kennen sich gerade 24 Stunden, als Kokoschka (7 Jahre jünger) sie anfleht: »Werden Sie meine Frau, im Geheimen, solange ich arm bin.« Drei Jahre dauert ihr Liebeskampf. »Nie zuvor hatte ich solche Spannung, diesen Himmel und diese Hölle gekostet«, steht in ihrer Autobiografie.
Wenn er sie nicht liebt, malt er sie, quasi pausenlos, in seinem winzigen Atelier mit schwarz gestrichenen Wänden, in dem sein Meisterwerk, »Die Windsbraut«, entsteht.
Er bettelt: »Ich muss dich bald zur Frau haben, sonst geht meine große Begabung elend zugrunde. Du musst mich in der Nacht wie ein Zaubertrank neu beleben ...« Almas sexuelle Ungezügeltheit musste in Zeiten steifer Damenmoral betörend wirken.
Als sie von ihm schwanger wird, ist Kokoschka außer sich vor Stolz und träumt vom häuslichen Glück. Alma treibt ab, wie schon öfter und immer wieder. Er gibt sich geschlagen und meldet sich freiwillig an die Front. Alma schreibt: »So, auch das wäre vorüber. Etwas, das ich für dauernd hielt ... Ich möchte einen anderen Mann finden ...«
Und besinnt sich des gut erzogenen Gropius, lädt ihn ein: »Ohne ein
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