Starke Frauen
aussehen soll: »Es muss gar keinen Hügel haben. Es sei ein viereckig längliches Beet mit weißen Nelken umpflanzt. Darum läuft ein kleiner sanfter Kiesweg ... in der Mitte eine kleine schwarze Holztafel mit meinem Namen, ohne Datum und Worte. So soll es sein.«
Paulas Tochter Mathilde kommt 1907, einen Tag nach Allerheiligen, auf die Welt. Es war eine schwere Geburt, berichtet ihre Mutter der Familie, aber vor allem eine »Erlösung«. Am 20. November darf die glückliche Mama zum ersten Mal aufstehen. Sie macht ein Fest daraus. Lässt Kerzen anzünden, schmückt sich mit Rosen, geht ein paar Schritte, sinkt plötzlich zu Boden und sagt: »Wie schade ...« Es dauert, bis Modersohn begreift, dass er zum zweiten Mal Witwer geworden ist. Todesursache: Embolie.
Hinterlassen hat Paula Modersohn-Becker 750 Gemälde. Verkaufen konnte sie zu Lebzeiten drei, immerhin zwei mehr als van Gogh.
PS: 1908 schrieb einer der Gründungs-Worpsweder Fritz Overbeck an Paulas Witwer: »Wir Worpsweder haben in den letzten Jahren, abgesehen von deiner Frau, im Grunde doch nichts hervorgebracht, das uns stolz machen könnte.« Modersohn hat übrigens 1909 zum dritten Mal geheiratet, eine Sängerin.
Obwohl ihre Schönheit nichts Süßliches, eher etwas – glauben ihre Lover – Teutonisches hat. »Aber ich bin nur ganz wenig deutsch!«, widerspricht sie und gesteht in ihren Songs ihre Probleme mit ihrer Herkunft: »Will you spell the words for me to hear. / Nibelungen / Nibelungen / Nibelungen land.« Das Land, in dem die Tochter einer Schneiderin geboren wurde, ist nie ihre Heimat geworden.
Bei ihrer Taufe brennen Synagogen, mit fünf Jahren spielt sie auf Friedhöfen. Der Vater, ein Abenteurer, ist ein schwarzes Schaf des Kölner Brauerei-Clans Päffgen. Als er an der Ostfront stirbt, lässt man verbreiten, Hitler selbst hätte seine Erschießung angeordnet. Nico behauptet, er sei im Konzentrationslager umgekommen – um sich nicht schämen zu müssen für einen Führer-Diener?
Als die Mutter mit ihr nach Lübbenau bei Berlin zieht, starrt Christa (so ihr Taufname) auf den brennenden Himmel über der Hauptstadt. Kriegstote, Trümmerlandschaften; sie ist schon als Kind heimatlos. Mit 13 verlässt sie die Schule, mit 15 entdeckt sie beim Schaufensterbummel am Ku’damm der Hausfotograf des Modezaren Heinz Oestergaard. Oestergaard schickt sie nach Paris, das Mädchen beginnt, die Kraft ihrer Schönheit wahrzunehmen. »Sie hatte keine Freunde, sie war immer allein. Ihre Hände waren wie Milch und Glas. Wunderschöne Hände«, sagt ihre Tante Helma Wolff.
Mit 16 in Paris; für Fräulein Christa ein Leben wie im Rausch. Fotosessions für Elle , Vogue , Esquire . Ihre Makellosigkeit fasziniert sogar Coco Chanel. Nur eines stört das Covergirl: ihr Name. Zu deutsch, zu spießig. Also nennt sie sich wie der griechische Regisseur und Nachtclubbesitzer Nico Papatakis, mit dem sie zusammenlebt: Nico. Und verwandelt sich in eine Kunstfigur, die den Markenwert ihres Körpers zu nutzen weiß.
Als Federico Fellini Nico 1960 eine Rolle in seinem Film La Dolce Vita anbietet, ist sie bereits so berühmt, dass sie sich selbst spielen kann: »Nico!«, begrüßt sie in einer Szene Marcello Mastroianni als Klatschreporter, »Paparazzo will mit dir eine Serie machen für die Vogue .« Nicos Drehbuch-Antwort: »Ich arbeite doch nicht mehr als Fotomodell, Marcellino, das ist vorbei.« Ob Nico ihr Leben jetzt schon zu »süß« vorkommt?
Während der Dreharbeiten trifft sie Alain Delon, am 11. August 1962 kommt Sohn Ari auf die Welt, aber der französische Filmstar bestreitet bis heute die Vaterschaft. Delons Mutter Edith (»Nico war die schönste Frau, die ich je gesehen habe«, sagt sie) lässt ihren mutmaßlichen Enkel entführen und von ihrem Ehemann Boulogne adoptieren. Und die Glamour-Mama? Vermutlich erleichtert, da total mit ihrem Job und der angestrebten Bewusstseinserweiterung beschäftigt. Also alles außer Lichtgestalt.
Nico gehört zum Jetset, 1965 inspiriert sie Bob Dylan zu seinem Song »I’ll Keep It With Me«, zieht Brian Jones, Jimmy Page, Iggy Pop in ihren Bann – aber ein Groupie ist sie nicht. Sie teilt zwar ihr Bett, aber nicht ihre Seele, bleibt Projektionsfläche und liest Nietzsches Jenseits von Gut und Böse , wo erklärt wird, »warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind«. (Erster Satz: »Vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist ...«)
Inzwischen lebt Nico in New York, modelt noch, aber nur um ihr
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