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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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zeigen, wenn ich kahl und vergilbt und von einem diskreten Korsett gestützt in die Nachtclubs meiner Enkel schleiche, und sagen: ›Schaut mal, das ist der schlimme Lord Peter, der dafür bekannt ist, daß er die letzten sechsundneunzig Jahre kein einziges vernünftiges Wort von sich gegeben hat. Er ist der einzige Aristokrat, der bei der Revolution von 1960 der Guillotine entkommen ist. Wir halten ihn uns zur Belustigung unserer Kinder.‹ Und ich werde mit dem Kopf wackeln und meine nagelneuen falschen Zähne zeigen und sagen: ›Ach ja! Solchen Spaß wie wir früher haben die auch nicht mehr, die armen, ordentlichen Kinder!‹«
    »Du wirst keinen Nachtclub mehr finden, in den du schleichen kannst, wenn sie dann alle so ordentlich sind.«
    »O doch – die Natur wird sich rächen. Sie werden sich von den staatlichen Gemeinschaftsspielen davonstehlen, um in Katakomben bei einer Schale unsterilisierter Vollmilch Solitaire zu spielen. Sind wir da?«
    »Ja, hoffentlich kann uns unten einer die Tür aufmachen, wenn Sylvia sich den Fuß vertreten hat. O ja – ich höre Schritte. Ah, du bist das, Eiluned; wie geht’s Sylvia?«
    »Ganz gut, nur ziemlich geschwollen – der Knöchel, meine ich. Kommt ihr rauf?«
    »Kann man sie besuchen?«
    »Ja, sie ist vollständig angezogen.«
    »Gut, denn ich bringe Lord Peter Wimsey mit.«
    »Oh«, sagte die junge Frau. »Guten Tag. Sie sind ein Detektiv, nicht wahr? Kommen Sie wegen der Leiche oder so?«
    »Lord Peter kümmert sich um Harriet Vanes Fall, auf ihrer Seite.«
    »So? Das ist gut. Freut mich, daß da mal endlich einer was unternimmt.« Sie war klein und kräftig gebaut und hatte eine streitsüchtige Nase und ein Blitzen in den Augen. »Was meinen Sie, wie es war? Ich sage, er war’s selbst. Er war so ein Selbstbemitleider. Hallo, Syl – hier ist Marjorie, und sie hat einen mitgebracht, der Harriet aus dem Kittchen holen will.«
    »Herein mit ihm, aber sofort!« ertönte es von drinnen zur Antwort. Die Tür öffnete sich auf ein kleines, mit strengster Einfachheit möbliertes Wohnschlafzimmer, in dem eine blasse, bebrillte junge Frau in einem Lehnstuhl saß, den bandagierten Fuß auf einer Kiste.
    »Aufstehen kann ich nicht, denn, wie Jenny Wren sagte, mein Rücken ist krank und meine Beine wacklig. Wer ist der tapfere Ritter, Marjorie?«
    Wimsey wurde vorgestellt, und Eiluned Price erkundigte sich sofort ziemlich barsch:
    »Trinkt er Kaffee, Marjorie? Oder braucht er männliche Stärkung?«
    »Er ist ein gottesfürchtiger, rechtschaffener und vollkommen nüchterner Mensch und trinkt alles außer Kakao und Brause.«
    »Aha! Ich frage ja nur, weil manche deiner männlichen Mitbringsel immer etwas Anregendes brauchen und wir die Zutaten dafür nicht im Haus haben und die Kneipe eben zumacht.«
    Sie stapfte zu einem Schrank, und Sylvia sagte:
    »Machen Sie sich nichts aus Eiluned; sie ist gern ein bißchen ruppig. Sagen Sie, haben Sie schon irgendwelche Anhaltspunkte, Lord Peter?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Wimsey. »Ich habe ein paar Frettchen in die Kaninchenlöcher geschickt und kann nur hoffen, daß sie was herausholen.«
    »Haben Sie den Vetter schon kennengelernt – diesen unausstehlichen Urquhart?«
    »Ich bin für morgen mit ihm verabredet. Warum?«
    »Nach Sylvias Theorie war’s der nämlich«, sagte Eiluned.
    »Interessant. Warum?«
    »Weibliche Intuition«, meinte Eiluned freiheraus. »Ihr gefällt seine Frisur nicht.«
    »Ich habe nur gesagt, daß er mir zu geleckt ist, um echt zu sein«, protestierte Sylvia. »Und wer sollte es sonst gewesen sein? Ryland Vaughan bestimmt nicht; er ist zwar ein Esel, wie er im Buche steht, aber die Geschichte hat ihn wirklich völlig geknickt.«
    Eiluned schnaubte verächtlich und ging den Wasserkessel aus dem Hahn im Flur füllen.
    »Und Eiluned kann denken, was sie will, aber ich glaube einfach nicht, daß Phil Boyes sich selbst umgebracht hat.«
    »Warum nicht?« fragte Wimsey.
    »Er hat soviel geredet«, sagte Sylvia. »Und er hatte eine viel zu hohe Meinung von sich selbst. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er aus freien Stücken die Welt um die Ehre betrogen hätte, seine Bücher lesen zu dürfen.«
    »Und ob«, widersprach Eiluned. »Schon allein aus Trotz, damit es den Erwachsenen leid tut. Nein danke«, fuhr sie fort, als Wimsey ihr den Kessel tragen wollte, »ich schaffe es gerade noch, drei Liter Wasser zu tragen.«
    »Schon wieder abgeblitzt«, meinte Wimsey.
    »Eiluned pfeift auf die konventionelle

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