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Starkes Gift

Starkes Gift

Titel: Starkes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Höflichkeit zwischen den Geschlechtern«, erklärte Marjorie.
    »Auch gut«, antwortete Wimsey liebenswürdig. »Dann werde ich mich auf die Rolle passiver Dekoration beschränken. Haben Sie auch eine Theorie, Miss Marriott, warum dieser allzu geleckte Advokat den Wunsch gehabt haben soll, seinen Vetter aus dem Weg zu räumen?«
    »Keine Ahnung. Ich halte mich nur an den alten Grundsatz von Sherlock Holmes, wonach, wenn man alles Unmögliche ausgeschieden hat, das, was übrig bleibt, und sei es noch so unwahrscheinlich, die Wahrheit sein muß.«
    »Das hat Dupin schon vor Sherlock gesagt. Ich akzeptiere die Schlußfolgerung, aber ich stelle die Prämisse in Frage. Danke, keinen Zucker.«
    »Ich dachte, euch Männern schmeckt der Kaffee nur in Form von Sirup.«
    »Stimmt, aber ich bin eine Ausnahmeerscheinung. Haben Sie das noch nicht gemerkt?«
    »Ich hatte noch nicht viel Zeit, Sie mir anzusehen, aber den Kaffee rechne ich Ihnen schon einmal als Pluspunkt an.«
    »Heißen Dank. Übrigens – könnten Sie mir vielleicht einmal schildern, wie Miss Vane auf den Mord reagiert hat?«
    »Nun ja –« Sylvia überlegte kurz. »Als er starb – war sie natürlich sehr betroffen.«
    »Sie war erschrocken«, sagte Miss Price, »aber nach meinem Eindruck war sie froh, ihn los zu sein. Kein Wunder auch. So ein gräßlicher Egoist! Ein Jahr lang hat er sie ausgenutzt und zu Tode geplagt, und dann hat er sie auch noch beleidigt. Er war so einer von den Unersättlichen, die nichts loslassen, was sie einmal haben. Sie war froh, Sylvia – wozu sollte man das abstreiten?«
    »Na ja, vielleicht. Es war eine Erlösung, zu wissen, daß er hinüber war. Aber sie wußte damals nicht, daß er ermordet worden war.«
    »Nein. Der Mord hat den Spaß ein bißchen verdorben – wenn es ein Mord war, was ich nicht glaube. Philip Boyes wollte schon immer gern ein Opfer sein, und daß es ihm am Ende sogar noch gelungen ist, war sehr ärgerlich. Und ich glaube, das war der Grund, warum er’s gemacht hat.«
    »So etwas kommt ja vor«, meinte Wimsey bedächtig. »Es ist nur schwer zu beweisen. Ich meine, die Geschworenen halten sich lieber an etwas Greifbares – zum Beispiel Geld. Aber ich kann in dieser Geschichte nirgends Geld finden.«
    Eiluned lachte.
    »Nein, von viel Geld war da nie die Rede, abgesehen von dem, was Harriet verdiente. Die alberne Öffentlichkeit hat Phil Boyes nicht zu würdigen gewußt. Das konnte er Harriet nicht verzeihen, verstehen Sie?«
    »Kam es ihm denn nicht sehr gelegen?«
    »Doch, natürlich, aber übelgenommen hat er’s doch. Sie hätte seinem Werk dienen, nicht mit ihrem eigenen minderwertigen Geschreibsel das Geld für sie beide verdienen sollen. Aber das ist ja typisch Mann.«
    »Sie haben keine besonders hohe Meinung von uns, wie?«
    »Ich habe einfach schon zu viele Schnorrer kennengelernt«, sagte Eiluned Price, »und zu viele, die nur das Händchen gehalten haben wollten. Aber die Frauen sind auch nicht besser, sonst würden sie sich das nicht bieten lassen. Ich habe Gott sei Dank noch nie von jemandem etwas genommen und auch noch nie etwas gegeben – außer an Frauen, und die zahlen’s zurück.«
    »Ich vermute, daß Leute, die hart arbeiten, immer zurückzahlen«, sagte Wimsey, »ausgenommen Genies.«
    »Weibliche Genies verhätschelt man nicht«, sagte Miss Price verbittert. »Dadurch lernen sie erst gar nicht, es zu erwarten.«
    »Kommen wir nicht ein bißchen vom Thema ab?« meinte Marjorie.
    »O nein«, erwiderte Wimsey. »Das alles wirft ein gewisses Licht auf die Zentralfiguren des Problems – die Protagonisten, wie es in der Journalistensprache heißt.« Um seinen Mund zuckte ein schmerzliches kleines Lächeln. »Im grellen Licht, das aufs Schaffott fällt, findet mancher die Erleuchtung.«
    »Sagen Sie bitte so was nicht«, flehte Sylvia.
    Irgendwo draußen klingelte ein Telefon, und Eiluned Price ging hin.
    »Eiluned ist eine Männerfeindin«, sagte Sylvia, »aber man kann sich sehr auf sie verlassen.«
    Wimsey nickte.
    »Aber wegen Phil hat sie unrecht – sie konnte ihn natürlich nicht ausstehen und ist daher geneigt –«
    »Für Sie, Lord Peter«, sagte Eiluned, die soeben wiederkam. »Fliehen Sie sofort – alles ist heraus. Scotland Yard ist hinter Ihnen her.«
    Wimsey eilte nach draußen.
    »Bist du das, Peter? Ich habe ganz London nach dir abgesucht. Wir haben die Kneipe gefunden.«
    »Das gibt’s doch nicht!«
    »Doch. Und wir sind einem Päckchen mit weißem Pulver auf der

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