Starkes Gift
Hannah. »Wenn einer nur nett und nicht gut bei Gesundheit ist, bemuttern Sie ihn gleich.«
»Dann wußte Mr. Boyes also über Mrs. Wrayburn gut Bescheid?«
»O ja – es war ja eine Familienangelegenheit, und sicher hat Mr. Urquhart ihm auch mehr erzählt als uns. Was hat Mr. Urquhart gesagt, mit welchem Zug er kommt, Hannah?«
»Wir sollten das Essen für halb acht richten, dann kommt er sicher mit dem Zug um halb sieben.«
Mrs. Pettican warf einen Blick zur Uhr, und Bunter verstand dies als Wink und stand auf, um sich zu verabschieden.
»Ich hoffe aber, Sie kommen mal wieder, Mr. Bunter«, sagte die Köchin gnädig. »Mr. Urquhart hat nichts gegen seriösen Herrenbesuch zum Tee. Und Mittwoch ist mein freier Tag.«
»Und meiner Freitag«, fügte Hannah rasch hinzu, »und jeder zweite Sonntag. Wenn Sie zufällig evangelisch sind, Mr. Bunter – Pfarrer Crawford in der Judd Street ist ein wunderbarer Prediger. Aber vielleicht sind Sie über Weihnachten nicht in der Stadt.«
Mr. Bunter erwiderte, man werde die diesjährige Weihnachtszeit mit Sicherheit in Duke’s Denver verbringen, und schied im Abglanz der geborgten Würde.
10. Kapitel
»Da bist du ja, Peter«, sagte Chefinspektor Parker, »und hier ist die Dame, die du so gern kennenlernen möchtest. Mrs. Bulfinch, darf ich Ihnen Lord Peter Wimsey vorstellen?«
»Überaus angenehm«, sagte Mrs. Bulfinch. Sie kicherte und betupfte sich ihr großes, helles Gesicht mit Puder.
»Mrs. Bulfinch war vor ihrer Verehelichung mit Mr. Bulfinch die Seele der Bar in den Neun Ringen in der Gray’s Inn Road«, sagte Mr. Parker, »und weithin bekannt für ihren Charme und Witz.«
»Na, na, Sie sind mir aber einer«, sagte Mrs. Bulfinch.
»Hören Sie nur nicht auf ihn, Eure Lordschaft. Sie wissen doch, wie diese Burschen von der Polizei sind.«
»Verkommene Subjekte«, meinte Wimsey kopfschüttelnd.
»Aber ich bin auf seine Meinung gar nicht angewiesen. Schließlich habe ich selbst Augen und Ohren, Mrs. Bulfinch, und ich kann nur sagen, wenn ich das Glück gehabt hätte, Sie kennenzulernen, bevor es zu spät war, wäre es der Wunsch meines Lebens gewesen, Mr. Bulfinch auszustechen.«
»Sie sind kein bißchen besser als er«, sagte Mrs. Bulfinch hochzufrieden, »und was Bulfinch zu Ihnen sagen würde, das weiß ich nicht. Ganz außer sich war er, als der Polizist kam und mich bat, mit ihm zum Yard zu kommen. ›Das gefällt mir nicht, Gracie‹, hat er gesagt, ›wir hatten hier immer ein anständiges Haus, und es hat noch nie Ärger mit Randalierern oder mit der Polizeistunde gegeben, aber wenn die dich einmal in den Fingern haben, weißt du nie, was sie dir alles für Fragen stellen‹. – ›Hab nicht solche Angst‹, hab ich zu ihm gesagt, ›die Jungs kennen mich doch alle und haben nichts gegen mich, und wenn es doch nur darum geht, ihnen die Sache mit dem Herrn zu erzählen, der das Päckchen in den Neun Ringen liegengelassen hat, kann ich ihnen das ruhig erzählen, denn ich hab mir nichts vorzuwerfen. Was sollen die denken‹, hab ich gesagt, ›wenn ich mich weigere, mitzukommen? Zehn zu eins, daß sie denken, da ist was faul?‹ – ›Na gut‹, sagt er, ›dann komme ich aber mit.‹ – ›So, du kommst mit?‹ sag ich. ›Und was ist mit dem neuen Barkellner, den du heute morgen einstellen wolltest? Denn hinterm Tresen stehen, das mach ich nicht, sag ich, das bin ich nicht gewöhnt. Mach also, was du für richtig hältst.‹ Also bin ich gekommen und hab ihn dagelassen. Wissen Sie, das gefällt mir an ihm. Ich sage kein Wort gegen Bulfinch, aber Polizei hin oder her, ich denke, ich kann selber auf mich aufpassen.«
»Sehr richtig«, sagte Parker geduldig. »Mr. Bulfinch braucht sich keine Sorgen zu machen. Wir wollen ja nur, daß Sie uns, so gut Sie sich erinnern, von dem jungen Mann erzählen, von dem Sie gesprochen haben, und uns helfen, das weiße Päckchen zu finden. Vielleicht retten Sie damit einen unschuldigen Menschen vor dem Galgen, und dagegen hat auch Ihr Mann ganz sicher nichts.«
»Das arme Ding!« sagte Mrs. Bulfinch. »Ich sag Ihnen, wie ich den Bericht über den Prozeß gelesen habe, da hab ich zu Bulfinch gesagt –«
»Einen Augenblick. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, von Anfang an zu erzählen, Mrs. Bulfinch, versteht Lord Peter besser, was Sie uns zu sagen haben.«
»Ja, natürlich. Also, Mylord, vor meiner Heirat war ich Bardame in den Neun Ringen, wie der Herr Chefinspektor sagt. Da hieß ich noch Miss
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