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Stars & Stripes und Streifenhörnchen

Titel: Stars & Stripes und Streifenhörnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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für die Zahnpflege Flugmeilen zuschustert, Hawaii hin und zurück. Eine Hand wäscht die andere, sagte er, und man war irgendwie froh, dass sein Bruder nicht Metzger war. Es knackte und knirschte entsetzlich im Rachenraum, und Crocodile Dundee begann furchtbar zu fluchen auf den »fucking stubborn German molar«, was in etwa »verfickt sturer deutscher Backenzahn« bedeutet. Nach gut zehn Minuten hielt er ihn in die Höhe, rief seine Helferinnen zu sich und präsentierte das Exponat wie einen Pokal. Deutsche Backenzähne, verfickt sture zumal, sind offenbar etwas sehr Besonderes, und man hätte sich nicht weiter gewundert, wenn Crocodile Dundee die Dinger sammelt wie andere Leute Briefmarken und spätabends schon mal seinen Freundinnen vorführt, »darf ich dir meine Weisheitszahnsammlung zeigen?«. Drei deutsche hatte er jetzt schon, und nach jeder Behandlung rief er abends bei uns an und fragte: »Hey, wie geht's dem Loch?« Die Frau des Hauses antwortete dann jeweils: »Dem Loch geht's gut, aber mein Mann kann gerade nicht sprechen.«
    Es hat etwas Beruhigendes, dass amerikanische Ärzte sich abends bei ihren Patienten melden. Und umgekehrt gilt, dass sich Patienten auch abends bei ihren Ärzten melden können, selbst spätabends. Das Niveau der medizinischen Ausbildung ist extrem hoch und das Niveau der Behandlung auch. Man muss es sich nur leisten können. US-Bürger geben zwar pro Kopf und Jahr mehr als doppelt so viel Geld für ihre Gesundheit aus wie Europäer, ihre Lebenserwartung aber liegt unter der in der Alten Welt.
    Das ist etwas wunderlich, was damit zu tun haben könnte, dass das amerikanische Gesundheitswesen per se etwas wunderlich ist. 47 Milhonen Amerikaner, 15 Prozent der Bevölkerung, haben keine Krankenversicherung und meiden wie wir am Anfang Arztpraxen. Eine knappe Mehrheit, 54 Prozent der US-Bürger, wünscht sich deshalb ein Gesundheitssystem nach europäischem Vorbild.
    Zahnärzte in Amerika haben die Angewohnheit, die Behandlung des Rachenraumes auf wenigstens eineinhalb Jahre zu dehnen. Wohingegen das Personal in hiesigen Krankenhäusern den Patienten selbst nach größeren Eingriffen schnell aus dem Bett und nach Hause treibt. Denn Krankenhäuser in den USA sind Genesungsfabriken und wie jede Fabrik eben gewinnorientiert.
    Vermutlich erklärt dieses Streben nach Profit, warum es in Amerika Krankheiten gibt, von denen man in Deutschland nicht mal ahnt, dass das Krankheiten sind. Sie werben hier beispielsweise für ein Mittelchen gegen »Acid Reflux Disease«. Ein säuerlicher Brand, der in Europa als profanes Aufstoßen bezeichnet würde, hierzulande aber offiziell krankhaft ist.
    Ähnlich verhält es sich mit einer Unpässlichkeit des schönen Namens »Restless leg syndrome«, auf deutsch ungefähr: »Unruhiges Bein-Syndrom«. Man sieht in dem Fernsehspot einen dickleibigen Menschen in einem Femsehsessel sitzen, dessen Beine plötzlich zu zappeln anfangen, und möchte diesem Menschen am liebsten zurufen: »Steh auf und beweg dich, du Fettsack.« Ein solcher Ausruf indes würde einem sofort eine Klage einbringen, weil es Fettsäcke in Amerika ja offiziell nicht gibt, sondern lediglich horizontal Herausgeforderte. Auf jeden Fall zappelt der horizontal herausgeforderte Mensch mit seinen horizontal herausgeforderten Beinen, und man kann die Beine gut verstehen: sie bräuchten schlicht mal Ausgang, mehr nicht. Solche Krankheiten haben wir hier, und für jede dieser merkwürdigen Malaisen existieren selbstverständlich auch Arzneien, weshalb wir uns zuweilen fragen, ob erst die Medizin erfunden wurde und danach die passende Krankheit dazu.
    Zahnschmerzen sind im Vergleich zu unruhigen Beinen etwas erfrischend Reales. Und die hiesigen Ärzte haben sich den Gesetzen des Marktes angepasst. Zuweilen bieten sie sogar Rabatt an wie beim Autokauf, »15 Percent off«, 15 Prozent weniger auch fürs Zähne-Entsorgen. In diesen Momenten ärgere ich mich, dass meine Zähne immer dann weh tun, wenn gerade kein Sommerschlussverkauf beim Dentisten ist.
    Dr. Peterson klebte die provisorische Brücke wieder in den Mund und verlangte nicht mal Geld dafür. Brückeneinkleben gehört zum Service, sagte er. Ich fragte ihn vorsichtig, warum er sie nicht, nun ja, besser befestigt, anderer Kleber oder so. Und berichtete ihm von den letzten Brückenfundstellen, mexikanischen Tacos und chinesischen Nudelsuppen. Aber er hörte gar nicht richtig zu. Vielleicht war er in Gedanken auf Hawaii.
    Monate später hatten wir

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