starten durch
GRÜNBERG!«, ruft Tessa von der anderen Seite des Zimmers und sieht plötzlich aus, als hätte ein Kamel sie mit Wasser bespuckt. »Was machen Sie denn hier?«
Tessa
Jungs und Männer bringen einen gelegentlich dazu, Dinge zu tun, die man gar nicht wirklich tun wollte. Ich zum Beispiel habe ein großes Problem mit meiner angeborenen Großzügigkeit und meiner ausgesprochen regen Anteilnahme an meiner Umwelt. Fast noch schlimmer als bei Livi ist das bei mir. Das Einzige, was mich gelegentlich zurückhalten kann, ist die Tatsache, dass ich zum Glück wesentlich vernünftiger bin als Livi. Ich meine, wenn ich gerade zwölf Euro für eine Strumpfhose ausgegeben habe, wäre es ja wohl der reine Blödsinn, sie gleich am nächsten Zaun zu zerreißen, bloß um ein paar Fotos von notleidenden Hühnern zu machen. Dafür bin ich einfach zu sparsam! Das Geld zum Fenster rauszuschmeißen, liegt mir nun mal nicht. Aber Jungs und Männer… die können einen in Situationen bringen …
D ieser Gerold Grünberg, also echt! Stiefelt hier einfach mit seinem Strahlelächeln rein, als würde man alle Tage als Schuldirektor ins Krankenhaus gehen, um kranke Schüler zu besuchen, und fängt ganz souverän an, Small Talk zu machen. Was für ein Mann! Einfach cool! Ach, wäre ich nur ein paar Jahre älter!
Wie nett er auch mich und Malea begrüßt hat. Kein
Wort hat er über Maleas Arbeitsfragenklau verloren. Richtig diskret, der Mann. Wie ein Mann eben sein sollte.
Und wie er mir in meine blauen Augen geguckt hat, als er sagte, dass er sich freue, mich wiederzusehen. Das hat richtig peng in meinem Magen gemacht.
(Keine Sorge, Javi! Der Mann ist zwar enorm attraktiv und denkt das Gleiche ohne Zweifel auch über mich, aber er ist natürlich etwa hundert Jahre zu alt für mich. Und du bist immer noch der Beste!!!)
Dass er es für seine Pflicht gehalten habe, sich nach dem Befinden der Schüler zu erkundigen, die sich in ihrer Freizeit so sehr für andere, für die Umwelt und für den Tierschutz einsetzen, und die nun diesen schrecklichen Unfall hatten, hat er erklärt.
Und wie Livi dann geglotzt hat, als er noch hinzufügte, wie großartig er ihr politisches Engagement finde und sie zu ihrem Einsatz in Sachen Legehennen-Skandal beglückwünschte. Und dass er bisher gar nicht gewusst habe, was für eine Schande offenbar diese Hühnerbatterie auf der anderen Seite der Stadt ist.
Livi kriegte ihren Mund gar nicht mehr zu. Und als sie vor Stolz ein bisschen rosa geworden ist und ihr blasses Sommersprossengesicht endlich nicht mehr wie Quarkkuchen mit Streuseln aussah – obwohl das Rosa zu ihren blond-roten Haaren immer noch nicht optimal war, da könnte man durchaus noch etwas mehr in die richtige Richtung nachhelfen, vielleicht ein etwas brauneres Rouge? –, also jedenfalls, da sah sie plötzlich richtig wach und nett aus.
Und ich merkte, dass ich ebenfalls fast ein bisschen stolz auf meine älteste kleine Schwester wurde.
Allerdings finde ich auch, dass sie mir ruhig einen
dankbaren Blick hätte schenken können. Schließlich hat sie das Lob von Gerold Grünberg lediglich mir zu verdanken. Oder wer hat sich im dicksten Schneetreiben ohne Rücksicht auf Erfrierungen an den Beinen im Minirock auf den Marktplatz gestellt, nur damit die Leute endlich mal Notiz von der Arbeit meiner Schwester nehmen, hm?
Livi guckt immer noch nicht sehr dankbar. Sie und Herr Grünberg sind in ein heftiges Gespräch vertieft über die unterschiedlichen Gesetze in Europa, was Hühnerbetriebe und die Eierindustrie angeht.
Meine Güte, was gibt es denn da so viel zu reden? Dass diese armen Viecher wirklich leiden, ist doch nun allmählich jedem klar, oder? Aber nein, die quatschen und quatschen und versuchen, sich gegenseitig mit immer mehr Fakten zu beeindrucken.
Hmpff. Gerold Grünberg scheint jedenfalls wirklich ziemlich beeindruckt von meiner Schwester zu sein. Guckt der eigentlich überhaupt noch mal zu mir rüber? Hallooohooo! Ich bin auch noch da!
Nix. Keine Reaktion. Obwohl ich meine hübsche blonde Mähne so ausgiebig schüttele, dass sich sogar ein Blindfisch nach mir umgedreht hätte.
»Und in Großbritannien ist das tatsächlich immer noch erlaubt?«, fragt Gerold Grünberg gerade.
Livi nickt mit total ernstem Gesicht. »Oh ja, und außerdem auch in …«
Ich kann’s nicht mehr hören! Wie lange wollen die denn noch über so überflüssiges Zeug reden?
»Na, da sollte man dann aber endlich mal handeln!«, höre ich mich selber mit
Weitere Kostenlose Bücher