Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Döhring
Vom Netzwerk:
noch mal weg, ob uns das stören würde. Ich konnte es kaum fassen. „Wohin denn?“, fragte ich. „Nicht weit, noch was erledigen“, war die spärliche Auskunft.
    Dies also war das Finale meiner Bemühungen, eine Freundschaft zu viert aufzubauen. Paul war bereits aufgestanden und aus seinen Blicken las ich, dass er nicht scharf darauf war, dass ich mit ihm kam. Er küsste mich flüchtig auf die Stirn und schüttelte den beiden für sein kurzes Auftreten et-was zu herzlich die Hände. Das war vermutlich ein echter Gefühlsausdruck, da er es geschafft hatte, nach zwanzig Minuten wieder seiner Wege zu gehen.
    Gerry, der die Situation wohl am klarsten überblickte, fand für Pauls Benehmen verständnisvolle und für mich anschließend aufmunternde Worte. Sonja ergänzte seine Strategie, indem sie schon mal Vorschläge für den späteren Abend machte. „Sei nicht traurig, das klappt bestimmt beim nächsten Mal“, hörte ich Gerry sagen, der es wohl genauso wenig glaubte wie ich.
    Ich jedenfalls hatte Freunde gefunden.
    * * *
    Die Kristallbar war nicht nur durch ihre exklusive Atmosphäre ein Gewinn. Der häufige Wechsel der Gäste, verbunden mit Einsatzfreude und Geschwindigkeit, machte eine Goldgrube daraus.
    Für Brot und Butter genügte die einheimische Währung. Einen weitaus größeren Reiz übte jedoch die D-Mark auf uns aus, die allerdings offiziell unerreichbar war, da das Regime sie brauchte, um das Land am Leben zu erhalten. Deshalb gab es die strikte Anweisung, alles an frei konvertierbarer Währung abzugeben. Französische Francs oder niederländische Gulden, österreichische Schillinge oder Schweizer Franken, alles wurde gern entgegengenommen. Zu diesem Zweck stand uns eine Umrechnungstabelle zur Verfügung, laut der davon ausgegangen wurde, dass die DDR-Mark mit der D-Mark gleichwertig war. In einem zweiten Schritt wurde dann zum offiziellen D-Mark-Wechselkurs umgerechnet und anschließend in DDR-Mark herausgegeben.
    Hinzu kam, dass dem Gast eine doppelseitige Rechnung auf eigens von der Staatsbank zur Verfügung gestellten Rechnungsblöcken ausgestellt werden musste. Die Blöcke an sich sowie ihre Seiten waren durchnummeriert und wurden von der gastronomischen Leitung an die einzelnen Restaurants und Bars gegen Unterschrift ausgegeben. Es wurde peinlichgenau Buch darüber geführt, wie viele der Blöcke wo in Gebrauch waren. Der Gast bekam das Original dieser Rechnung und die Bar behielt den Durchschlag. Selbstverständlich musste auch das sogenannte Valuta-Trinkgeld abgegeben werden. Den Gegenwert dafür bekamen wir einen Monat später in Form von Forum-Schecks ausgehändigt.
    Diese künstliche Binnenwährung wurde eigens für uns DDR-Bürger eingeführt, um auf diese Weise an die echte D-Mark heranzukommen. Folgerichtig war der Besitz von Devisen seit 1979 per Gesetz für den Ossi verboten. Mit unseren bei der Bank eins zu eins umgetauschten Forum-Schecks sollten wir dann Umsatz im Intershop machen. Dort bekam man Waren aus dem Westen, die allerdings auch vielfach im Osten hergestellt wurden. Es war nach Einführung der Forum-Schecks tatsächlich kaum möglich, direkt mit der D-Mark in den Intershop zu spazieren und eine Tafel Schokolade zu kaufen. Man wurde unverblümt nach dem Pass gefragt, den man nicht besaß, sodass man peinlich berührt wie ein Trottel den Laden wieder verlassen musste. Wollte man wirklich gute Ware fürs gute Geld haben, setzte man eher auf Bekannte und Verwandte, die das Begehrte aus Westberlin oder von weiter her mitbrachten.
    Die Geilheit auf die D-Mark dokumentierte der Staat besonders eindrucksvoll, indem er seine Bürger sogar um das Kleingeld betrog. Forum-Schecks gab es nicht kleiner als in 50-Pfennig-Scheinen. War der Wechselgeldbetrag geringer, wurden Schokoladentäfelchen oder Lutscher herausgegeben. Nun schon einmal wie unmündige Kinder behandelt, nannten viele die Schecks aus diesem Grunde und auch wegen ihrer geringen Größe abfällig „Spielgeld“.
    In der Praxis setzten sich allerdings einige Alternativformen zur staatlich angewiesenen Zahlungsabwicklung durch. Meine erste Zuwiderhandlung ist mir noch so gut inErinnerung geblieben wie das Rauchen der ersten Zigarette hinten im Garten meiner Eltern. Denn bei beidem war mir sehr schwindlig geworden.
    Es waren drei Franzosen, die Cognac bestellten. Ich brachte ihnen das Gewünschte. Scheinbar hatten sie es eilig, prosteten sich nur kurz zu, als hätten sie auf irgendeinen Erfolg anzustoßen, dann rief einer:

Weitere Kostenlose Bücher