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STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Döhring
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geht´s?“
    „20 Mark, Campari-Orange.“
    Nein, das durfte nicht wahr sein, dachte ich, als ich mich sofort an den blonden Kerl erinnerte, der mich also reingelegt hatte. Drückt mir das Geld in die Hand und haut ab, so ein Penner. Aber so kampflos gab ich nicht auf.
    „Ach ja“, fange ich mein Märchen an: „Weiß ich genau. Campari-Orange.“ Und ich erzählte den Ablauf aus meiner Sicht mit einem abgewandelten Schluss: „... und dann drückte er mir 20 Mark in die Hand, aber DDR-Mark, das weiß ich ganz sicher. Ein grüner Schein. So wie der Westzwanziger.“
    Ich holte tief Luft für die nächste Unverfrorenheit: „Na, das ist ja toll, da hat er sich wegen der Ähnlichkeit der Scheine wahrscheinlich vergriffen. Oder er wollte den Zwanziger für sich und lässt mich jetzt die Dumme sein. Kann doch ein einzelner ohne Zeugen alles machen ...“ Ich sprudelte noch eine Weile weiter und mein Chef sah mich mitleidig an.
    „Morgen ist eine Aussprache bei der gastronomischen Direktorin. Da werden wir das klären. Bleiben Sie nur ganz ruhig jetzt, wenn Sie sich nichts vorzuwerfen haben.“
    Natürlich hatte ich mir etwas vorzuwerfen (vor allem, diesem Typen auf den Leim gegangen zu sein) und wenn ich hier nachgab, konnte ich eine ganze Menge Ärger bekommen. Also hieß es: leugnen, leugnen, leugnen.
    Mit Pauls moralischer Unterstützung ging ich am kommenden Tag zur Aussprache.
    Der Raum war dank der Anwesenheit der Direktorin angenehm kühl, für Hitze sorgte schon mein Pulsschlag. Außerdem zugegen waren der Barchef und zwei meiner Kollegen. Die vielen Beteiligten sollten für ein Höchstmaß an Einschüchterung sorgen, was allerdings scheiterte, da wir in diesen Dingen eher eine verschworene Gemeinschaft waren.
    Die Chefin trug den Fall vor und ich wurde aufgefordert, etwas dazu zu sagen. Mit größtmöglicher Unschuldsmiene trug ich die Version vor, die auch mein Chef schon gehört hatte, der freundlicherweise dazu nickte, als könne er es bestätigen. Dann fragte die Direktorin die beiden anderen Kollegen, ob sie sich vorstellen könnten, dass ich das Westgeld genom-men hätte. Beide versicherten ihr, dass sie mir so etwas niemals zutrauen würden.
    Schließlich erhielt ich die Auflage, eine selbstkritische Stellungnahme zu verfassen. Ich schrieb genau auf, was ich schon zweimal erzählt hatte, und bekam dafür ein halbes Jahr – ein halbes Jahr Versetzung in das Hotelrestaurant. Es hätte schlimmer kommen können.
    Ein persönliches Anliegen war es mir anschließend, eine ausführliche Personenbeschreibung des Kontrolleurs an die vielen Kollegen weiterzugeben, die sie brauchen konnten.
    * * *
    Unser Gästekreis war vielfältig.
    Es kamen Leute, die das Besondere suchten und vielleicht auch ein bisschen besonders waren. Jedenfalls ließen sie sich nicht einschüchtern durch die Glitzerwelt inmitten der Eintönigkeit. Es gab Lehrer darunter, Buchhalter, Leute aus dem Kunst- und Kulturbetrieb, Geschäftsleute, Büroangestellte und Wissenschaftler.
    Ich erinnere mich an einige Schauspieler, Sänger und Regisseure. Einer unserer Spitzendramaturgen kam hin und wieder auf einen Whisky bei einer guten Zigarre, oft in Begleitung junger Damen, wahrscheinlich Studentinnen seines Fachs, die an diesem Abend noch etwas lernen wollten.
    Zu unseren Gästen zählten auch eine Menge alleinstehender Damen jeden Alters. Einige von ihnen kamen regelmäßig und konnten geduldig bei einem Tee über Stunden ausharren, bis sich ein geeigneter Gesprächs- und nicht selten auch Geschäftspartner gefunden hatte.
    In der Frühzeit des Faxgerätes bereiteten uns einige Westberliner Händler durch ihr eigenartiges Benehmen viel Unterhaltung. Sie nahmen Platz und gaben uns mit ihrer Bestellung gleichzeitig Bescheid, dass sie ein eiliges Telefax erwarteten. In diesem Fall würde die Telefonistin ihnen ein Zeichen geben. Zu diesem Zweck hatten sie sich einen Tisch ausgesucht, von dem aus sie die Telefonzentrale gegenüber der Rezeption gut im Auge behalten konnten.
    In der Wartezeit wurden stapelweise Unterlagen auf dem Tisch ausgebreitet und bei langem Palaver vom einen zum anderen geschoben. Kam von drüben das vereinbarte Zeichen, sprang einer der Männer auf und raste los, als ob sein weiteres Leben vom Eintreffen des Faxes abhinge oder sich das Fax nach wenigen Sekunden in Luft auflöste.
    Wobei etwas dran war an dieser Annahme, denn in den folgenden Wochen konnten wir live miterleben, dass dasNichteintreffen der Nachrichten einen

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