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STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Döhring
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Schublade „Da müssen wir auch mal hin“ nunverlassen würde. Mit Hotelbuchung und Reiseplan stelle ich ein Überraschungspaket zusammen.
    Mein Geschenk kommt gut an und wir freuen uns auf ein Wochenende mit Kultur, Entspannung und Zweisamkeit.
    Als wir aufbrechen, strahlt die Wintersonne über einige Schneelaken, die entlang der Autobahn schon auf dem Rückzug sind. Das Thermometer steht knapp unter null und für die nächsten Tage soll es auch so mild bleiben.
    In Dessau angekommen, checken wir im Hotel ein, machen einen Rundgang durchs Haus und brechen sogleich wieder auf, um das legendäre Bauhaus zu besichtigen. Wir sind begeistert von der Kreativität der Meister, die sich hier verewigt haben, von den Formen und Farben der von ihnen gestalteten alltäglichen Dinge mit ihrem geradlinigen Stil. In der frischen Winterluft wandern wir vom Bauhaus zu den Meisterhäusern und nach deren Besichtigung weiter zum Kornhaus am Elbufer. Nach einer Wanderung durch den Stadtpark nutzen wir den späten Nachmittag zum Faulenzen im Wellness-Club unseres Hotels. Ausgeruht und frisch gebadet schreiten wir zum Abendessen ins Restaurant. Auch hier werden wir nicht enttäuscht. Küche und Service scheinen sich vorgenommen haben, den perfekten Tag abzurunden.
    Wenn es einem so gut geht, hat man Lust auf mehr. So lassen wir uns zu guter Letzt auf die Barhocker der Hotelbar fallen, um dem perfekten Tag den Rest zu geben.
    „Ist das eigentlich ein Neubau oder gab es das Hotel auch schon vor der Wende?“, will Mike wissen.
    Ich lege die Cocktailkarte für einen Moment beiseite und zucke mit den Schultern. Da ich die Frage nicht beantworten kann, suchen wir nach Spuren. Vielleicht handelt es sich um den Umbau eines alten Kerns oder eine Rekonstruktion? Der Platz im Park und die Nähe zum Theater scheinen der ideale Standort für ein Hotel zu sein, das war wohl auch schon früher so.
    Wir beschließen, den Barmann zu fragen, der aber in dieser Minute alle Hände voll zu tun hat, da eine Reisegruppe von einem Ausflug zurückgekehrt ist. „Es gab zu DDR-Zeiten nach meiner Erinnerung in jeder größeren Stadt ein Haus der Interhotel-Kette. Vielleicht ist dies hier mal so etwas gewesen“, überlege ich weiter. „ Ein besseres Hotel“, sagt Mike nachdenklich wie zu sich selbst. „Und für wen war das eine bessere Hotel dann bestimmt?“, fragt er weiter. Ich lache. „Für die Privilegierten von damals, nehme ich an“, mutmaßt er. „Ja, das zum einen“, sage ich „und für kulturinteressierte Touristen, möglichst mit dem richtigen Geld.“ Denn Dessau bietet nicht nur etwas für Bauhausinteressierte. Ganz in der Nähe liegt die Wörlitzer Parklandschaft, die jährlich Tausende anzieht. Ich berichte von westdeutschen Busreisegruppen, die seinerzeit erst im Spreehotel Quartier gemacht hatten, um Berlin zu besichtigen, und zwar beide Teile, und dann noch weitere Ziele in der DDR ansteuerten; unter anderem den Wörlitzer Park.
    „Das muss doch auch deprimierend gewesen sein“, greift Mike das Thema wieder auf. „Die schauen sich hier alles an und fahren dann wieder zurück. Ihr aber musstet hierbleiben, für euch gab es im anderen Deutschland nichts zu besichtigen“, er schüttelt den Kopf. „Gott sei Dank, dass das alles vorbei ist. Sonst hätte ich dich nie kennengelernt“, sagt er liebevoll.
    Der Barmann, der wieder die Übersicht hat, wendet sich uns nun aufmerksam zu. „Ich hätte gern einen Manhattan“, verkünde ich. „Sehr gern“, ist die Antwort und ein verschmitztes Lächeln gibt es dazu für die ungewöhnliche Bestellung. Die Cocktail-Klassiker „Martini“ und „Manhattan“ haben wohl inzwischen ein etwas angestaubtes Image und sind seit Jahren durch Caipirinha oder Cosmopolitan von den Spitzenplätzen verdrängt worden. Mike bestellt sich ein Bier.
    Wir stoßen an auf den gelungenen Tag und plaudern über das Gesehene und Erlebte. Besonders die Besichtigung derMeisterhäuser und was wir über die einzelnen Persönlichkeiten erfahren hatten, gab reichlich Gesprächsstoff.
    Ich bestelle mir einen weiteren Cocktail und für Mike gibt es noch ein Bier.
    Über die schnörkellosen Fassaden des Bauhausstiles wandert unsere Unterhaltung auf Umwegen zu den Plattenbauten der DDR. „Gar nicht individuell“, sage ich, „aber praktisch.“ Ich spreche wieder einmal ausführlich darüber, warum es für so manchen DDR-Bürger höchst erstrebenswert war, eine Wohnung mit Vollkomfort in der Platte zu ergattern.
    Mike

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