STASIRATTE
„Bei Dribbeck vielleicht“, machte einer der Männer einen Vorschlag, „Ja, oder beim alten Türow“, meinte ein anderer.
Jetzt fiel mir auf, dass in der Kneipe außer mir keine einzige Frau war. Die Männer musterten mich und kamen nun zu uns herüber.
„Wat suchste denn jenau?“, war die Frage eines Gastes, der im Blaumann zu uns herüberschlurfte.
„Na ja, alles eigentlich. Schränke, Stühle, Lampen, was man so braucht für die Wohnung“, antwortete Paul.
Mitten in die Diskussion hinein, wer wo was noch rumstehen hatte und günstig an uns abgeben könnte, tönte es aus der hinteren Ecke: „Und dit willste denn in Berlin verscherbeln, wa?“
Die Stimme gehörte einem Mann, der soeben erst die Schenke betreten und das Kennzeichen auf unserem Auto gesehen hatte. Paul blickte kurz in die Runde, schüttelte jovial den Kopf und erzählte allen Leuten von seinem Bau und den üblichen Schwierigkeiten, die man so hatte:
„Na ja, brauch ich euch ja nicht zu erzählen, kennt ihr ja alles, haha.“ Er verstand es, die Stimmung wieder zu seinen Gunsten zu drehen, denn nach dem Zwischenruf waren die Leute hellhörig geworden. Berliner gehörten auf dem Landeund erst recht in entfernteren Bezirken der DDR zu den Hassobjekten. Man beneidete sie für die bessere Konsumsituation und empfand sie als vom Staat verhätschelt.
Paul hatte ein paar Namen und Adressen aufgeschnappt und plauderte mit ein paar Handwerkern noch ein bisschen übers Bauen. Dann war unser Kaffee ausgetrunken, Paul zahlte, wir grüßten noch kurz in die Runde und verließen das Lokal.
Nach kurzer Fahrt waren wir an einer der Adressen, einem Bauernhaus direkt an der Hauptstraße, angekommen. Paul klingelte und heraus kam ein alter Mann in Arbeitshosen und mit einer dicken grauen Strickjacke bekleidet. „Guten Tag“, Paul begrüßte ihn freundlich, „wir sind auf der Suche nach alten Möbeln, die nicht mehr gebraucht werden und die wir vielleicht günstig abkaufen könnten.“
Inzwischen war auch ich ausgestiegen und nickte dem al-ten Herrn freundlich zu.
„Was suchen Se denn?“, war seine Frage.
„Ach, alles Mögliche, Schränke, Lampen ...“, Paul zuckte ein wenig die Schultern hoch. Der Alte grübelte. Mir war das Ganze jetzt doch ein wenig peinlich und ich malte mit meinem Schuh Kreise in den Sand auf dem Gehweg. Dann hörte ich, wie der Mann sagte: „Also da is noch wat hinten im Stall, aber schön isser nich mehr.“ Dabei machte er eine einladende Bewegung mit dem Arm und deutete nach hinten auf seinen Hof. So gingen wir gemeinsam in ein großes, etwas baufälliges Gebäude hinter dem Wohnhaus.
Im Innern war es ziemlich dunkel und unsere Augen muss-ten sich erst an die Lichtverhältnisse gewöhnen. Ich sah Gatter für Tiere, die aber leer waren. An einer Wand lehnten Holzbretter, daneben befand sich eine Halterung mit Gartengeräten. In einer Ecke standen ein rostiger Mähbalken und Einzelteile von Landmaschinen. Paul schlenderte interessiert durch das Gebäude und sah sich alles genau an. Der Bauer ging inden hinteren Teil des Stalls und blieb vor einem dunklen Gegenstand stehen, der sich als Kommode mit drei Schubfächern entpuppte. „Is dit wat für Sie?“, hörte ich ihn fragen. Paul war in die Hocke gegangen und betrachtete das Stück eingehend. Er zog an den Schüben, die sich nur mühsam öffnen und schließen ließen. Nach einer Weile erhob er sich wieder und hatte plötzlich sein Portemonnaie in der Hand. Ich hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt, der alte Mann auch nicht. Jetzt regte er sich aber und seine Miene nahm einen erfreuten Ausdruck an. Paul hielt ihm ohne weitere Umstände einen Schein vor die Nase, der Alte nahm ihn und nickte.
So kamen wir zu dieser noch völlig intakten Kommode aus der Gründerzeit, die nach der Befreiung vom Staub der Jahrzehnte im Stall zu einem bildschönen Wohnmöbel auferstanden war.
Ich ging in die Küche, denn langsam bekam ich Hunger. Allerdings war nicht viel los im Kühlschrank, denn auch in dieser Beziehung war Paul eigen. Er hielt nicht viel vom trauten Heim und Herd. Viel lieber aß er in Restaurants, wo man mit dem Zubereiten nichts zu tun hatte und darüber hinaus wieder unter Menschen war. Die Schwierigkeit war eher, in den wenigen guten Restaurants, überwiegend in Hotels, einen Platz zu bekommen. Da machte es sich gut, dass ich Kollegen kannte, die uns durchwinkten, oder dass man sich an Pauls Trinkgeld erinnerte.
Plötzlich hörte ich Geräusche an der
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