Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staub zu Staub

Staub zu Staub

Titel: Staub zu Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga A. Krouk
Vom Netzwerk:
der Plan präziser.
    „Wer bist du eigentlich?“ Mirjam rückte ein Stück zu ihm, ohne den Blick von der Pistole abzuwenden. „Gehörst du zu diesem Friedmann?“
    „Woher weißt du von Friedmann?“ Er senkte die Arme und seine Jacke verdeckte die Waffe.
    „Also doch. Er wollte Max umbringen, nicht wahr? Du hast deinen Job gut erfüllt. Wieso erschießt du mich nicht auch gleich?“
    Er lehnte seinen Kopf an einen Baumstamm. „Ich wollte ihn nicht töten, okay? Du hast mich mit deinem Gebrüll erschreckt. Ihn zu erschießen war mein Selbst-mord. Ich wollte nur mit ihm reden!“
    „Indem du ihn mit der Pistole bedrohst?“ Hinter ihrem Rücken ertastete sie einen Stein und rüttelte daran. Er steckte fest. Mirjam kratzte die Erde ab, rüttelte, buddelte weiter, ohne den Typ aus den Augen zu lassen. Ihr Fingernagel brach ab, doch sie zuckte mit keinem Muskel. Der Kerl durfte nichts merken. Hoffentlich würde sie ihn lange genug mit dem Gespräch hinhalten können, um den Stein frei zu bekommen.
    Der Typ tigerte vor ihr hin und her, ballte die Hände zu Fäusten, streckte die Finger wieder aus. „Was sollte ich sonst tun? Wer weiß, was er mir noch alles verpasst hätte, wäre ich ihm zu nahe gekommen. Pest? Cholera? Ebola? Er ist ja recht kreativ, wenn’s darum geht.“
    „Was davon hast du?“ Endlich gelang es ihr, den Stein freizulegen. Eine der Kanten war spitz, spitz genug, um dem Kerl den Schädel einzuschlagen.
    „Goodpasture-Syndrom.“
    „Ich hoffe, das ist etwas Unheilbares und Tödliches.“
    „Jetzt schon.“ Er senkte den Kopf, seufzte und wiederholte flüsternd: „Jetzt schon.“
    Sie streckte die freie Hand aus, mit der anderen versteckte sie den Stein hinter ihrem Rücken.
    „Hilf mir hoch. Wohin gehen wir eigentlich?“
    „Erst mal müssen wir weg.“ Er zog sie auf die Beine. „Du musst dich für eine Weile verstecken.“
    Erneut schäumte Wut in ihr hoch. „Ich werde mich nicht verstecken. Willst du wissen, was ich tun werde? Ich werde deinen Friedmann und seine Sekte vernichten. Damit er niemandem mehr das antun kann, was er Max angetan hat. Das schwöre ich.“
    Noch während sie sprach, schlug sie mit dem Stein auf ihn ein. Der Kerl hob instinktiv den Arm. Die spitze Kante streifte nur seine Schläfe und ritzte eine blutende Wunde in seine Haut. Der Typ griff nach ihrem Handgelenk und drehte ihr den Arm um. Der Stein entglitt ihren Fingern und holperte über den Boden. Sie glaubte zuerst, der Kerlwürde sie gleich erschlagen, als er plötzlich zusammen-klappte und hustete. Mirjam stieß ihm in die Seite und rannte los. Hinter ihr hörte sie seinen bellenden Husten. Mochte er doch verrecken!
    Im Zickzack huschte sie zwischen den Bäumen hindurch, ohne zu wissen, wohin sie lief. Die Luft brannte in ihrer Lunge, bald stach es ihr in der Seite. Sie keuchte und lehnte sich an eine Birke. Ihre Knie schlotterten. Sie rutschte zu Boden, rollte sich zusammen und drückte ihr Gesicht ins feuchte Moos. Es roch nach verfaultem Laub und Pilzen. Sie lauschte dem Rauschen der Baumkronen. Wo war ihr Verfolger?
    Irgendwo in der Nähe knackste ein Ast. Der Mörder hatte sie gefunden.
    Sie beschloss, liegen zu bleiben und keineswegs die Lider aufzumachen. Mit etwas Glück würde er sie vielleicht doch noch erschießen.
    Kalt.
    Wieso war ihr so kalt?
    Und warum war es so still?
    Mirjam rollte sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Aus dem Schwarz über ihr rieselte Schnee. Die Kristalle tanzten und glitzerten silbern, legten sich auf ihre nackte Haut. Wieso war sie nackt?
    Sie blinzelte. Sie befand sich auf einer winzigen Insel, mitten im Nichts. In einem undurchsichtigen, schwarzen Nichts.
    Sie hielt ihre Handfläche den wirbelnden Kristallen entgegen und beobachtete, wie sie auf ihrer Haut tauten. Was für eine seltsame Form! Sie betrachtete die Flocken genauer. Es war kein Schnee, sondern winzige hebräische Buchstaben. Sie kniff die Augen zusammen und ordnete drei davon auf dem Daumennagel zu einer Reihe:

    „Kether.“ Ihr Atem brachte die Buchstaben zum Schmelzen. Sie lächelte: Daraus ließ sich die Obere Triade bilden, der Kern der Schöpfung. Beim nächsten Wort wartete sie besonders lange auf das– ‚He’, bis sie die Buchstaben zusam-mensetzen konnte.

    „Binah.“ Die Zeichen tauten. Sie rümpfte die Nase. Für ‚Chochmah’ brauchte sie auch ein ‚He’, wie lange sollte sie dieses Mal danach suchen?
    Noch bevor sie das letzte Sefirot der Triade geordnet hatte, nahm sie

Weitere Kostenlose Bücher