Staubige Hölle
hörte die leise, schleppende Stimme seines Vaters, eine Frau antwortete ihm.
Dell befand sich im Schlafzimmer einer Frau. Ein Doppelbett mit geblümter Daunendecke, eilig glatt gestrichen, zwei Klatschmagazine auf Afrikaans lagen neben dem einzigen Kopfkissen. Ãber dem Bett hingen Dürers »Betende Hände« in Kupfer. Schwere, orangefarbene Gardinen vor dem Fenster. Eine altmodische Frisierkommode mit angeschlagenen Beinen und einem angelaufenen Spiegel. Ein Kleiderschrank aus Kiefernholz ragte über dem Bett auf, eine Tür offen, Kleider quollen heraus. Und ein Geruch: süÃliches Parfum und das Fleisch einer alternden Frau. Wie das Zimmer von Dells GroÃmutter, in dem er als Kind gewesen war.
Die Tür öffnete sich, und Goodbread kam wieder herein. Ihm folgte eine blonde Frau. Auf den ersten Blick meinte Dell, sie sei mittleren Alters und vollbusig, mit einer Zigarette, die ihr von den Lippen hing. Dann sah er, dass sie erheblich älter war, mindestens sechzig, graues Haar strohblond gefärbt, dick aufgetragenes Make-up übertünchte die Falten auf ihrem Gesicht. Sie schob ein Plastikbecken herein, das auf einen Metallrahmen montiert war.
»Diese ehrenwerte Dame, die namenlos bleiben wird, war freundlicherweise einverstanden, dich zu rasieren und dir die Haare zu schneiden«, sagte Goodbread.
Die Blondine lächelte Dell an, wobei sich ihre geschminkten Lippen um die Zigarette zurückzogen. Das Lächeln einer Frau, für die Flirten zum Reflex geworden war.
Dell erwiderte das Lächeln nicht. »ScheiÃe, wozu das denn?«
Ihr Lächeln verschwand, und sie gackerte. »Oh, er hat den frechen Mund von seinem Daddy. Okay.« Sprach Englisch mit einem deutlichen Afrikaans-Akzent. Eine tiefe Stimme von vielen Jahren Alkohol und Zigaretten. Eine Frau nach dem Geschmack seines Vaters.
Goodbread hatte einen Arm um ihre kräftige Taille gelegt und lächelte zu ihr hinab. »Also, das ist jetzt mal gelogen, und das weiÃt du auch.« Er vögelte sie, vermutete Dell.
Goodbread kam zu Dell herüber. »Darf ich vorstellen, dein neues Ich.«
Er hielt einen südafrikanischen Führerschein hoch, ein laminiertes Plastikrechteck in der GröÃe einer Kreditkarte. Dell sah das Gesicht eines Mannes seines Alters, glatt rasiert, kurzes dunkles Haar. Ausdruckslos in die Kamera blickend. Las noch den Namen David Stander, bevor Goodbread den Führerschein auf die Frisierkommode legte und Dell die Handschellen abnahm. Dell lockerte seine Finger. Die Handgelenke brannten, wo sich ihm das Metall ins Fleisch gedrückt hatte.
»Wir reden später, okay?« Goodbread verlieà den Raum, machte die Tür hinter sich zu.
Die Frau schob das Becken an die Frisierkommode. »Komm, setz dich.«
Dell gehorchte. Die Blondine, die Zigarette immer noch im Mund, wickelte den Verband von seinem Kopf ab und sah, wie er zusammenzuckte.
»So eine Schande«, sagte sie, scheitelte sein Haar und starrte mit zusammengekniffenen Augen durch den Zigarettenqualm. »Ist schon okay, nur ein paar Schnittwunden. Aber es tut mir leid, denn es wird schon ein bisschen brennen.«
Sie drückte die Zigarette in einem überquellenden Aschenbecher aus und zog das Becken näher heran. Es war mit warmem Wasser gefüllt. Er sollte sich zurücklehnen und den Kopf über den Beckenrand hängen, während sie seine Haare shampoonierte. Es brannte. Dann schob sie das Becken fort und legte ihm ein Handtuch über die Schultern, drehte ihn herum, so dass er nun in den Spiegel sah.
»Wo bin ich?«, fragte er.
»Das fragst du besser später deinen Dad.« Sie kramte in der Frisierkommode nach einer Schere und einem Kamm, warf einen kurzen Blick auf das Foto auf dem Führerschein.
»Sagen Sieâs mir einfach«, beharrte er.
»Ich will keinen Ãrger.«
Er blickte zu ihr auf. »Lady, Sie haben schon Ãrger. Sie wissen, wer ich bin?«
Sie nahm seinen Kopf in die Hände und drehte ihn wieder nach vorn. »Du bist sein Sohn. Mehr muss ich nicht wissen.«
Die Blondine steckte sich eine weitere Zigarette an, hielt sie zwischen ihren faltigen Lippen geklemmt, als würde das ihre Geheimnisse sicher verwahren. Dann begann sie, Dell die Haare zu schneiden. Sie war gut, ihre Hände bewegten sich mit einer geübten Flinkheit, seine grau melierten Locken fielen auf seine Schultern und dann zu Boden.
Seit fast dreiÃig Jahren
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