Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
fiel daher aus allen Wolken, als ihn Carola nach dem Essen beiseitenahm und giftig begann: «Sag mal, was denkst du dir eigentlich?»
    «Ich habe keine Ahnung, was du meinst.»
    «Du tust hier so hei-ti-tei, als wäre nichts! Müsstest du nicht mal mit deiner Tochter reden? Auf mich hört sie ja ohnehin nicht mehr!»
    «Ich dachte, es wäre alles gesagt.»
    «Wie, wann denn? Hast du dir einmal im letzten Jahr Zeit genommen für ein Grundsatzgespräch mit deiner Tochter? Ich hab immer nur gehört: ‹Morgen reden wir, Hase›, und das Morgen kam nie. Hast du überhaupt ein einziges Mal mit ihr über diesen schrecklichen Selim gesprochen?»
    «Also, von dem Selim haben wir doch seit der Sache diese Woche nichts mehr gehört. Ich denke, das ist vorbei.»
    «Träum weiter», sagte Carola, drehte sich um und knallte die Tür hinter sich zu. Winter stöhnte. Da klingelte sein Handy.
    «Winter.»
    «Aksoy. Tut mir leid, dass ich am Wochenende störe. Herr Winter, ich hätte da eine Bitte an Sie oder eine Frage.»
    Was wollte sie denn nun schon wieder? Er setzte sich an den Küchentisch.
    «Ja?»
    «Ich habe ja nun diese Woche zum ersten Mal eine Ermittlung von Anfang bis Ende miterlebt. Sie wissen ja, beim KDD – wir machen da eigentlich immer nur die erste Auswertung, dann verständigen wir die Fachkommissariate, und wir hören nie wieder von dem Fall. Das war also diese Woche Neuland für mich …»
    «Was man auch gemerkt hat», warf Winter launig ein.
    Sie lachte. «Oje, war ich so schlimm?»
    «Nein, nein, für eine Anfängerin haben Sie sich sehr tapfer geschlagen. An Einsatz hat es jedenfalls nicht gefehlt.» Winter war über sich selbst ein bisschen überrascht. Aber so schlimm war die Aksoy eigentlich nicht. Für eine Anfängerin.
    «Also, Herr Winter. Womit ich Sie jetzt belästigen will: Hätten Sie vielleicht Lust oder Zeit, mit mir für eine Stunde eine kleine private Fortbildung zu machen? Eine Art Rückschau auf den Fall, wo Sie mir ein bisschen helfen, ein paar Fragen zu klären, die ich noch habe, zum Ablauf und so?»
    Winter sah pro forma auf die Uhr. «Wenn Ihnen das so wichtig ist – es ließe sich einrichten. Wann?»
    «Ich hatte gedacht, ich lade Sie zum Essen ein, obwohl Ihnen das wahrscheinlich schon viel zu lange dauert …»
    «Ehrlich gesagt, habe ich gerade gegessen.»
    «Ach ja, natürlich. Das frühe deutsche Mittagessen. Ich stelle mich schon wieder auf meine Nachtschichten um. Am einfachsten für Sie wäre es sicher, wenn ich bei Ihnen zu Hause vorbeikäme, aber das ist wahrscheinlich stressig für Ihre Tochter …»
    «Nein, das wäre nicht gut. Treffen wir uns doch einfach im Präsidium. Oder in einem Café?»
    «Okay. Haben Sie einen Vorschlag? Ansonsten würde ich sagen, das Stattcafé in der Grempstraße. Da sind wir zwar wahrscheinlich die ältesten Gäste …»
    «Ach, wissen Sie, das stört mich überhaupt nicht.»

    Es war eine elende Schinderei. Annegret, die Trainerin, hatte ausgerechnet heute die Langstrecke angesetzt. Statt im Vierer sollten sie einzeln in Skiffs fahren. Annegret lud die Jungen und die Boote hinterm Clubhaus in den Bus und fuhr sie alle in die Stadt zur Alten Brücke. Dort, gegenüber vom Ruderverein 1865, hievten sie die Boote im prasselnden Regen die steilen Kaitreppen hinunter, bekleidet mit nichts als schlechten Neoprenanzügen.
    «Beim Wettkampf kann man sich das Wetter auch nicht aussuchen», sagte Annegret, als sie stöhnten.
    Annegret selbst parkte auf der anderen Seite und wechselte auf der Brückeninsel in ein geliehenes Motorboot des Ruderclubs, um mit Mikro und Gebrüll die Treiberin der Galeerensklaven zu mimen. Sie froren erbärmlich, als sie im Wasser auf Annegret warteten. Doch als es losging, kam man zu nichts mehr. Nicht einmal mehr zum Frieren. Annegret brüllte durchgehend und gab ein derartiges Tempo vor, dass es Sebastian alle Mühe kostete, einfach nur dranzubleiben. Das Wasser war hässlich, schwarz, durch den Regen aufgewühlt. Von oben und hinten prasselte es, der Regen schien den Rudern beinahe ebenso viel Widerstand zu bieten wie das Flusswasser. Gnadenlos ging es in hohem Tempo weiter und weiter, vage registrierte Sebastian, dass sie die Friedensbrücke passierten und den Westhafen, dann eine lange Monotonie der Qual. Sobald mit der Autobahnbrücke ein Ende der Folter in Sicht kam, brüllte Annegret erst recht: «Los, auf, auf, Steigerung zum Endspurt! Wer gewinnt? Dalli, dalli, dalli! Eins, zwei, eins, zwei!»
    Sie trieb sie

Weitere Kostenlose Bücher