Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Beutestücke von den weiten Kaperfahrten. Zwischen den Büsten hingen Gemälde, die man für gewöhnlich in großen Landhäusern zu Gesicht bekam. Die Möbelstücke wirkten massig und stammten wahrscheinlich aus Frankreich. Trouin sah, dass Steel einen Sekretär mit teilweise vergoldeter Bronze und einem Aufsatz aus Kristall länger betrachtete.
»Ein Geschenk des Königs, Captain. Seiner Hoheit König Ludwig, meine ich. Ich gehöre zu seinen Günstlingen, müsst Ihr wissen. Er weiß meine Loyalität zu würdigen. Aber kommt doch weiter. Hier schließt sich mein Lieblingszimmer an, der Salon.«
Er öffnete eine weitere Tür und bat seinen Gast in einen Raum, der noch exquisiter ausgestattet war als die Eingangshalle. Wieder hing ein Kronleuchter von der Decke, diesmal – so schätzte Steel – mit über hundert Kerzen. Ölgemälde zierten die Wände. Ein Gemälde fiel besonders ins Auge: Es stellte einen geschlachteten Ochsen dar und faszinierte durch seine detailgetreue Machart. Trouin bat Steel, näher an das Bild zu treten.
»Bitte, Captain. Schaut es Euch genauer an. Mein wertvollster Besitz. Ein Meisterwerk, meint Ihr nicht auch? Gemalt hat es der große Rembrandt van Rijn. Ein Niederländer, leider. Aber was für ein Maler. Seid Ihr vertraut mit seinem Werk? Ich glaube, der verstorbene König von England war ein Sammler seiner Gemälde. Dies ist eins meiner Lieblingsbilder. Seht Ihr, wie das Blut gleichsam auf dem Fleisch schimmert? So wirklichkeitsgetreu, so fein gezeichnet. Als hätte ich das Tier mit eigenen Händen geschlachtet und ausgeweidet. Fast meint man, den Ochsen berühren zu können, nicht wahr? Köstlich, wunderbar.«
Trouins Finger schwebten wenige Zoll vor der Leinwand. Es schien, als stehe er unter einem Zwang, die Pinselstriche berühren zu müssen.
Steel beobachtete den Piraten und fragte sich, wie es kam, dass dieser Mann sich so für ein wundervolles Kunstwerk begeistern konnte. Ein Mann, der den Tod eines Gefährten gutgeheißen und später in Kauf genommen hatte, dass eine junge Frau verkrüppelt aus einem barbarischen Zweikampf hervorging. Er nahm Trouins Gestalt in sich auf, betrachtete die mit Pomade versehene Perücke, den golddurchwirkten, grellen Hut und versuchte, den Mann einzuschätzen. Doch Trouin verlor sich derweil in der Betrachtung des Ochsen. Schließlich, da er sich nicht länger beherrschen konnte, berührte der Pirat die Leinwand, ließ die Finger über die Furchen des Impasto gleiten und schien sich in einem Zustand äußerster Ekstase zu befinden. Einige Augenblicke später trat er einen Schritt zurück, nahm den Blick jedoch nicht von dem Gemälde.
»Ah, Captain, wie es wohl ist, wenn man sich als Maler bezeichnen darf. Was für ein Talent. Wir Sterblichen müssen uns mit unseren niedrigeren Fähigkeiten zufrieden geben. Nun, man kann nicht alles haben, nicht wahr?«
Steel zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, Mijnheer van Rijn wäre dafür kein guter Soldat gewesen.«
Trouin musste lachen. »Da dürftet Ihr recht haben. Aber er wusste jedenfalls, wie man totes Fleisch und Blut detailgetreu wiedergibt.«
Steel spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Womöglich war dieser Mann trotz seiner Kultiviertheit nicht mehr als ein kleiner, grausamer Tyrann.
Trouin schlenderte weiter durch den Raum, als hätte er alle Zeit der Welt, und blieb vor einem lebensgroßen Porträt eines Aristokraten stehen. Der Mann posierte vor einer Festung, die von einer Armee – vielleicht sogar Briten vor etwa fünfzig Jahren – bestürmt wurde. Die Angreifer schienen den Sieg davonzutragen.
Trouin seufzte. »So würde ich der Nachwelt gern in Erinnerung bleiben. In stattlicher Pose, an einem Ort meiner zahllosen Siege. Glaubt Ihr, ich finde einen Maler, der dazu imstande wäre?«
»Gewiss, Sir, in Brügge oder Brüssel. Wie ich hörte, hat Flandern eine große Tradition der Malerei.«
»Aber seht Ihr, Thomson, das ist ja das Problem. Ich kann mich in diesen Städten nicht frei bewegen. Ich bin jetzt ein Gesetzloser. Mehr noch, denn ich stehe in Diensten der Franzosen, und jetzt hat Euer Marlborough sie aus Flandern vertrieben. Wir müssen bald aufbrechen. Ich denke, dass wir wieder in Port Royal vor Anker gehen sollten. Die Menschen hier sind nicht mehr als Bauernflegel, sie haben keine Manieren, keine Kultiviertheit. Meint Ihr nicht auch?«
Steel nickte.
»Nun, das nur nebenbei. Aber sagt mir eins, Thomson. Glaubt Ihr, ich werde als wohlhabender, freundlicher
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