Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
die Worte vernommen und begriff, was geschehen war – Rotröcke mit hohen Grenadiersmützen … die Engländer waren innerhalb der Mauern! Steel hörte den Befehl.
»Tirez!«
Der Ruf war kaum verhallt, da pfiffen Steel bereits ein gutes Dutzend Musketenkugeln um die Ohren. Ein Mann ging zu Boden, hielt sich den Arm und stöhnte.
»In Deckung!«, rief Steel. »Tom, Sergeant Slaughter, zu mir. Ihr da, folgt mir, schnell!«
Wenige Schritte entfernt, in dem Graben zwischen Außen- und Innenmauer, führte eine Steintreppe zu den Wehrgängen. Steel wusste, dass seine Männer diese Stufen hinauf mussten, wenn sie nicht ins Kreuzfeuer der Franzosen geraten wollten. Die Treppe war ihre einzige Hoffnung jenseits des Gangs und zwischen den Böschungen. Ohne länger abzuwarten, rannte Steel durch den Graben und hielt auf die Treppe zu. Zu seiner Erleichterung folgten die Kameraden ihm. Wieder traf eine französische Kugel: Einer der Grenadiere sank tödlich am Hals getroffen zu Boden. Steel wusste auf die Schnelle nicht, um wen es sich handelte; inzwischen hatte er die untersten Stufen erreicht und eilte die Treppe hinauf.
Halb zu Hansam gewandt, rief er über die Schulter: »Henry, du hast die Kompanie!«
Der Lieutenant nickte und gab die entsprechenden Befehle. Steel schaute zurück zu dem breiteren Gang, aus dem seine Männer und er gekommen waren. Den ersten Teil der Mission hatten sie geschafft. Die Schlupftür war offen, und schon bald würden die Männer des niederländischen Bataillons durch den Tunnel in die Stadt eindringen. Aber jetzt galt es, Trouin zu finden. Die Mission führte er nicht länger für Marlborough oder für Colonel Hawkins aus. Denn Steel erkannte, dass seine Schuldgefühle angesichts Brouwers Tod nur nachlassen würden, wenn er Vergeltung übte. Erst dann könnte er wieder ruhigen Gewissens schlafen.
Ein Geräusch schreckte ihn auf. Über sich auf den Stufen sah er einen Offizier der französischen Infanterie, der ihm den Degen entgegenstreckte. Hinter dem Mann kamen vier weitere Soldaten die Treppe hinunter. Steel wusste, dass er nur dann eine Chance hatte, wenn er etwas tat, womit der Gegner nicht rechnete. Anstatt stehen zu bleiben und den Angriff des Offiziers abzuwarten, machte Steel einen Satz nach vorn und passte den Schwung seines Gegner ab: Der Offizier lief ihm geradewegs in die Klinge und riss vor Entsetzen die Augen auf, als er den blanken Stahl spürte. Er blickte auf die Waffe, versuchte noch, sie zu umfassen, doch da hatte Steel den Degen schon zurückgezogen und stieß den sterbenden Mann die Stufen hinunter.
Die anderen Infanteristen waren verwirrt. Steel erkannte, dass es keine regulären französischen Soldaten waren, die er vom Schlachtfeld her kannte, sondern wallonische Truppen, französisch sprechende Bewohner der Spanischen Niederlande. Einen Augenblick lang starrten sie Steel unschlüssig an. Dann feuerte einer der Grenadiere – Cussiter, wie Steel glaubte – seine Muskete auf die Soldaten ab und traf einen der Wallonen an der Wange. Der Mann wirbelte herum und stürzte tödlich getroffen die Stufen nach unten. Die anderen drei Infanteristen schienen genug zu haben. Sie machten auf dem Absatz kehrt und eilten wieder auf den Wehrgang.
Steel riss den Degen in die Höhe: »Grenadiere, mir nach!«
Mit einem Schlachtruf auf den Lippen strömten die Rotröcke hinter ihm die Stufen hinauf. Als Steel den oberen Treppenabsatz erreichte, sah er, dass die restlichen Wallonen über den Wehrgang geflohen waren. Keuchend spähte er durch die Schießscharte in Richtung der Alliierten und sah im grauen Licht des Morgens die gewaltige Streitmacht, die aufgezogen war, um die Attacke zu unterstützen. In diesem Moment wusste er, dass die Franzosen unterliegen würden, ganz gleich, welches Schicksal ihm noch bevorstand. Die Stadt würde fallen.
Zehn Bataillone bewegten sich durch den Dünengürtel unaufhaltsam auf das westliche Stadttor zu. Er wusste, dass auch zwölf Kompanien seines eigenen Regiments darunter waren, angeführt von Colonel Farquharson. Hinzu kamen die alten Brigaden aus Ramillies: Merediths, Temples, Macartneys, Faringtons und die Guards. Steel wusste auch, dass Argylls Männer irgendwo dort unten waren, und fragte sich, welchem Zeitvertreib sich der Herzog heute hingeben würde. Wie viele Papisten mochte er heute im Namen der Menschlichkeit hinschlachten?
Hansam fiel nun die Aufgabe zu, die Bresche für die Niederländer zu halten. Gemeinsam würden sie dann das
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