Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
großes Stück Kautabak in die Backe geschoben hatte. Ein nutzloser Versuch, die Kopfschmerzen zu vertreiben, die ihn seit Stunden plagten. Tom Williams hatte sich ihnen angeschlossen und war überglücklich über den Sieg. Den verbundenen Arm trug er in einer Schlinge.
Die Toten und Verwundeten der sich zurückziehenden französischen Armee lagen über Meilen am Wegesrand. Steels Männer registrierten mit reglosen Mienen, wenn wieder ein zu Tode Verwundeter um Hilfe bettelte. Gelegentlich ließ sich ein gutmütiger Grenadier erweichen und gab einem der armen Kerle zu trinken. Doch meistens ignorierten die Männer die Schreie. Hatten sie nicht alle genug unter den Franzosen in Ramillies gelitten? Zu viele Kameraden lagen tot und verstümmelt auf dem Feld, um Gedanken an Mitleid aufkommen zu lassen. Zudem war Eile geboten, denn so wünschte es der Oberbefehlshaber. Der Feind floh so rasch, dass viele Soldaten ihre wenigen Habseligkeiten auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hatten, in der Gewissheit, nichts davon je wiederzusehen.
Da das französische Heer insgesamt zerschlagen war, hatten sich viele der Regimenter in führerlose Haufen aufgelöst. Gelegentlich, während Steels Männer durch die Dunkelheit marschierten, sah man Gestalten weiter vorn auf der Straße, die vor den herannahenden Grenadieren Reißaus nahmen und quer über die Felder flohen. Die Franzosen schienen überall zu sein und doch nirgends. Es waren überwiegend einzelne Flüchtende oder Deserteure einer Armee, die streng genommen nicht mehr existierte. Die Verfolgung war blutig und unnachgiebig, und auch wenn die Briten nicht dem herkömmlichen Bild von gemeinen Mörder entsprachen, konnte man sie gewiss nicht als Gentlemen bezeichnen.
Hansam holte auf und ritt bald neben Steel. »Das war ein großartiger Sieg, Jack. Verlass dich drauf, in London werden sie die Glocken läuten und im ganzen Land auf Marlboroughs Wohl anstoßen.«
Steel schwieg.
Im Augenblick hatten sie auf ihrem Weg nach Westen auf einer Anhöhe Halt gemacht, oberhalb des Dorfes Meldert, fast fünfzehn Meilen vom Schlachtfeld entfernt. Allmählich brach der Tag an. Doch an diesem Morgen mischte sich in das fahle Licht der Dämmerung ein anderer Schimmer, den die Kompanie mit Neugier wahrnahm. Der Schein kam aus Nordwest, aus Richtung der Stadt Löwen, einem Brückenkopf in der Verteidigungslinie des Flusses Dyle, sieben Meilen entfernt. Während die meisten Männer sich über das Leuchten wunderten und Mutmaßungen anstellten, lag die Sache für Steel auf der Hand. So etwas hatte er schon oft gesehen.
Auch Hansam sah den Schimmer in der Ferne. »Feuer, Jack? Haben die Franzosen sich neu formiert?«
Williams hatte sich zu ihnen gesellt. »Was glaubt Ihr, was das ist, Sir? Eine andere Schlacht? Ist unsere Kavallerie auf die Nachhut der Franzosen gestoßen?«
Steel verneinte mit einem Kopfschütteln. »Die Franzosen haben noch nicht wieder die Kraft für einen weiteren Kampf. Und unsere Kavallerie ist, wie ich höre, zu weit südlich. Nein, das sind Anzeichen einer Armee, die den Kampf aufgegeben hat. Die Franzosen verbrennen ihre Vorräte, damit sie nicht in unsere Hände fallen. Das ist der Scheiterhaufen von Villerois Armee.«
Slaughter und zwei weitere Kameraden, Mackay und Cussiter, standen beisammen und blickten in Richtung des Feuerscheins. Sie teilten sich eine luftgetrocknete Wurst, die einer von ihnen im Tornister eines Franzosen gefunden hatten. Cussiter sprach beim Kauen: »Habt ihr gesehen, wie die sich ergeben haben? Haben einfach ihre Waffen abgelegt wie fette Memmen und sich ergeben. Und das sollen Soldaten sein?«
Mackay nickte. »Habt Ihr gesehen, Sergeant? Ich hab nur die Breeches von hinten gesehen.«
Slaughter schüttelte den Kopf. »Machen wir jetzt das Beste draus. Aber eins sag ich euch: Wir werden wieder auf Franzosen stoßen, sobald König Ludwig welche ins Feld schickt. Nein, die Franzmänner sind noch nicht erledigt.«
Cussiter spuckte auf den Boden. »Die Kavallerie brachte die Wende, nicht wahr, Sergeant? Hab noch nie so viele Pferde gesehen. Krachten in die Franzmänner wie eine Klinge, die durchs Kornfeld saust.« Dabei gestikulierte er wild und deutete an, Mackay den Kopf abzuschlagen.
Sein Kamerad lachte und wich einen Schritt zurück. »Kavallerie oder wer’s auch immer gewesen ist, es war der General, der die Schlacht gewonnen hat, und das ist die Wahrheit. Es war Marlborough. Unser guter alter Corporal John.«
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