Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
den Aberglauben. Wenn Ihr diese Angelegenheit weiter mit mir erörtern möchtet, stehe ich Euch bei Gelegenheit zur Verfügung.«
Mit diesen Worten entfernte Argyll sich von Steel und den anderen, blieb dann aber noch einmal stehen, um die blutverschmierte Degenklinge an dem weißen Uniformrock eines toten französischen Soldaten zu säubern.
Schweigend schaute Steel dem Herzog nach und blickte schließlich hinunter auf den toten Iren. Derweil entwaffneten die Grenadiere Clares Dragoner. Erst da fiel Steel auf, dass die Kanonen schwiegen. Die Salven außerhalb des Dorfes und die gewaltige Kakofonie aus Schreien, Hufschlag und Waffengeklirr ließen den Schluss zu, dass eine Armee auf der Flucht vor einer anderen war. Offenbar hatte der Cornet recht gehabt. Die Schlacht war entschieden. Kopfschüttelnd sprach Steel mehr zu sich selbst, als er sagte: »Wenn das Freiheit und Wahrheit sein soll, dann will ich nichts damit zu tun haben.«
Er musste an seinen jüngeren Bruder Alexander denken, einen Jakobiten, der die Familie vor fünf Jahren verlassen hatte. Sein gegenwärtiger Aufenthaltsort war unbekannt, obwohl Steel vermutete, dass die Loyalität seines Bruders – wie die des armen Clare – immer noch bei dem alten König und der alten Monarchie lag. Er stellte sich vor, dass nicht O’Brien, sondern genauso gut Alexander durch die Klinge des Sergeants hätte sterben können. Mit einem Frösteln machte er sich bewusst, dass er eines Tages seinem Bruder auf einem Schlachtfeld begegnen könnte. Doch er hoffte, dass ihm dies erspart bliebe, und sprach ein stilles Gebet für seinen Bruder, wo immer er sich im Augenblick aufhalten mochte. War die Hoffnung übertrieben, dass sie sich eines Tages in einem Schottland begegnen würden, in dem jeder die gleiche Behandlung erfuhr und in dem die religiöse Bigotterie keine Familien entzweite?
Slaughter trat zu ihm. »Ihr habt ganz recht, Sir. Obwohl ich weiß, dass sich einige in unseren Reihen der Ansicht des Herzogs anschließen würden.«
»Das mag sein. Wir alle kämpfen für unterschiedliche Ziele, Jacob. Beten zu unterschiedlichen Göttern. Aber soweit ich das beurteilen kann, besteht manchmal kein großer Unterschied zwischen Argylls Vorstellung von einer neuen Welt und blindem Hass. Ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen, als Ihre Majestät den Thron bestieg.« Sein Blick wanderte zu der Stelle, wo van Cutzem inmitten seiner Männer lag, mit dem Gesicht im Dreck.
»Ich habe heute einen Mann auf dem Schlachtfeld kennengelernt, der davon überzeugt war, der Krieg ließe sich mit künstlichen Regeln und Höflichkeit zivilisieren. Ich sagte ihm, er irre sich, und jetzt ist er tot. Und er hatte tatsächlich nicht recht, Jacob. Die einzige Möglichkeit, die uns bleibt, um die Welt für uns lebenswert zu machen – abgesehen von dem Wunsch, König Ludwig vom Thron zu stoßen –, ist die Erkenntnis, dass Krieg immer brutal und hundsgemein ist. Töten und getötet werden. Der einzige Gewinner ist der Mann, der die erste Salve ins Ziel bringt. Clare wusste das.« Er zeigte in Argylls Richtung. »Und dieser Mann dort weiß es auch. Aber wir sollten nicht diesen Hass entwickeln, den er an den Tag legt. Das ist kein Krieg. Wir alle haben unsere Prinzipien, unseren eigenen Kodex des Krieges. Und wir alle sind hinter dem Ruhm her – Ihr, ich, Mr. Hansam, Mr. Williams. Ruhm und Ehre. Das sind die einzigen beiden Dinge, die im Leben von Bedeutung sind. Und das Leben selbst. Aber wir sind Soldaten. Man bezahlt uns, um anderen das Leben zu nehmen. Das ist das Einzige, was uns geblieben ist. Nimmt man uns das weg, sind wir nicht besser als gemeine Mörder.«
***
Die Nacht brach herein. So weit das Auge reichte, war der Boden von Leichen übersät, von denen die meisten die weißen Uniformröcke der Franzosen trugen. Bleich und reglos schimmerte der Stoff im Mondlicht. Hier und da verriet ein Stöhnen, dass noch ein Funke Leben in einem der Soldaten war. Doch binnen kurzer Zeit hatten die Bauern, die auf der Suche nach Beute das Schlachtfeld durchkämmten, den Mann gefunden, und alles war wieder ruhig.
Die Hitze des Tages war allmählich der Nachtluft gewichen. Gemäß den Befehlen von Lord Orkney hatte das Regiment, mit den Grenadieren als Vorhut, die Verfolgung aufgenommen. Trommelschläge markierten das Vorrücken – spezielle Instruktionen vom Kommandostab, um die Angst der Feinde zu schüren. Inzwischen ärgerte der Lärm Steel, der im Sattel saß und sich ein
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