Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Dann gab es da die Mohren. Fast achtzig zählten zu seiner Crew, die meisten davon französische Kreolen, die an Trouins Seite kämpften, um die Freiheit zu erlangen. In seiner Mannschaft gab es auch Engländer. Es handelte sich zumeist um Deserteure der britischen Navy oder der Armee, die zurzeit draußen vor den Stadtmauern lagerte. Trouin hatte festgestellt, dass die Engländer die besten Seeleute waren, und hieß solche Männer daher stets willkommen. Die Engländer waren bereit, alles zu tun, solange sie dadurch dem Tod am Galgen entkamen; viele von ihnen waren dankbar, dem Dienst in einer Armee entkommen zu sein, in der die Peitsche regierte und jeder in der Linie ausharren musste, wenn der Geschosshagel einsetzte.
Einige dieser Männer sah er nun in der Schankstube sitzen, in verschiedenen Stadien der Trunkenheit und Unzucht. In der Schänke stank es nach Körperausdünstungen, und in diese verbrauchte Luft mischte sich noch der Geruch von Wein, Rum und gekochtem Essen. Tabakqualm hing schwer in der Luft, und vor einer Wand kniete ein kleiner Junge, der einen Hammelbraten langsam über dem offenen Feuer drehte. In der Schankstube herrschte ein unglaublicher Lärm: Lachen, Geschrei, Rufe nach mehr Wein, dazu das Kichern der tändelnden, halb nackten Freudenmädchen, die das weibliche Element in Trouins nautischer Familie bildeten. In einer Ecke hockte ein blinder irischer Geiger und spielte den Männern auf – eine beschwingte Jig. Mehrere betrunkene Seeleute mitsamt ihren Huren tanzten zu den Klängen, hüpften oder drehten sich im Kreise, doch die Musik ging in dem allgemeinen Trubel beinahe unter.
Trouin ließ seinen Blick über all diese Leute schweifen und empfand einen gewissen Stolz. Dies hier war seine Welt, diese Menschen gehörten zu ihm. Sie standen loyal zu ihm – zumeist jedenfalls. Zumindest solange er sie mit Nahrung und Bier versorgte und ihnen Reichtümer in Aussicht stellte. Langsam durchmaß er die Schankstube und betrat den anderen Raum der Schänke, gefolgt von einem hünenhaften Mann, einem Schwarzen, der ihm wie ein Schatten folgte und sein persönlicher Leibwächter war. Vor acht Jahren hatte Trouin diesen Hünen auf den Bahamas aus den Ketten der Sklaverei befreit, hatte indes nicht verhindern können, dass man dem Schwarzen die Zunge herausgeschnitten hatte, als Strafe für den Fluchtversuch von seinem englischen Herrn. Der Hüne konnte weder lesen noch schreiben, und Trouin, der stolz war auf seine klassische Bildung und Homer verehrte, hatte ihn Ajax getauft – nach dem griechischen Helden.
Trouin hätte sich keinen besseren Beschützer wünschen können, und der Name Ajax war gut gewählt. Denn wann immer sein Herr in Gefahr geriet, raste der Schwarze vor Zorn – wie sein Namenspatron – und stemmte sich mit der Kraft von zehn Männern gegen seine Feinde. Treu wie ein alter Hund, folgte er seinem Herrn auf Schritt und Tritt und hielt stets einen riesigen Schwarzdornstock in der Rechten. Jeder, der so töricht war, Trouin zu bedrohen, bekam rasch den Zorn des Ajax zu spüren. An der Seite trug er einen rasiermesserscharfen Krummsäbel nach arabischer Art, dessen Griff aus Perlmutt gefertigt war. Ajax hatte ihn einem türkischen Kaufmann abgenommen. Doch der Hüne zog den Krummsäbel nur selten. Wenn er sich der Waffe bediente, schwang er sie so gekonnt und schnell und schob sie erst dann wieder in die Scheide, wenn der Stahl sich vom Blut rot gefärbt hatte. Die beiden Männer, Herr und Diener, bahnten sich ihren Weg durch das Gedränge, doch es machten ihnen ohnehin alle Platz – niemand wagte es, sich ihnen in den Weg zu stellen.
In der Schankstube überlagerten sich die Stimmen, aber an einem Tisch sprach niemand, und die einzigen Laute kamen von einer flachen irischen Trommel und einer Blechflöte; zwei Seeleute untermalten mit diesen Instrumenten die Unterhaltung, die zwanzig Augenpaare in ihren Bann gezogen hatte. Auf einem runden Tisch, auf dem keine Gläser und Teller mehr standen, drehte sich eine hübsche, dunkelhäutige Frau um ihre eigene Achse auf einem großen, silbernen Serviertablett, das wie ein schillernder Spiegel wirkte; die Umstehenden schauten wie gebannt zu, erhaschten sie doch dank der polierten Fläche hin und wieder einen Blick unter den Rock der Tänzerin. Die Piraten gafften und johlten und warfen ihre Münzen – Kronen mit dem Konterfei des Sonnenkönigs, englische Guineen und in Spanien geprägte Pieces of Eight – auf den Tisch. Der
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