Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Stadt, die sich im blassen Morgenlicht vor dem Himmel abzeichneten. »Wenn ihr euch so aufführt, sobald wir an die Mauern kommen, seid ihr alle tot. Also noch einmal. Auf mein Kommando.«
Steel wusste, dass diese Schlacht – wie so oft – auf engstem Raum ausgetragen würde. Besonders hier, da die Männer in den Gassen kämpfen mussten. Außerdem trafen die Musketen nur auf eine Entfernung von hundert Yards. Es kam auf die Feuerkraft an. Wer die meisten Salven abgeben konnte, würde als Sieger aus dem Gefecht hervorgehen. Innerhalb der Stadt würden sie auf eine Entfernung von zwanzig Schritt oder weniger feuern. Ein gut ausgebildeter Soldat war imstande, die Muskete in zwanzig Sekunden zu laden, doch im Augenblick brauchte die Kompanie dreißig Sekunden dafür. Das waren zwei Schuss pro Minute.
»Fertig machen«, rief Steel. »Präsentieren … Feuer!«
Abermals krachten die Gewehre. Qualm und Flammenzungen schossen aus den Läufen. Steel zählte im Geist die Sekunden; es waren mehr als zwanzig.
»Ihr seid immer noch tote Männer«, verkündete Steel. »Cussiter, zeigt den Jungs, wie man’s macht. Zwei Schritte vor. Gut, fertig machen. Die Muskete muss fest in der Schulterbeuge sitzen. Den Körper durchdrücken, der Ellbogen ist angewinkelt. Kopf hoch und achtgeben, dass das linke Knie ein wenig gebeugt ist. Sehr gut. Gut gemacht, Cussiter. Und jetzt den Daumen weg vom Hahn. Den rechten Fuß etwas zurückziehen. Zeigefinger ist vor dem Abzug. Aber noch nicht berühren, verstanden? Rechtes Knie ist steif. Der Lauf ist etwas tiefer als der Kolben. Nur so trefft ihr den Gegner in der Mitte des Körpers. Genau, Dan. Zielt auf die Baumgruppe. Feuer!«
Cussiter betätigte den Abzug. Die Kugel flog aus dem Lauf und traf einen der Bäume auf Bauchhöhe eines Menschen.
»Sehr gut. Sergeant Slaughter, eine extra Portion Rum für Corporal Cussiter. Und das Gleiche für jeden, der es so präzise schafft wie Cussiter. Nehmt sie hart ran, Sergeant. Die Reihen sollen getrennt feuern, erst hinten, dann vorn. Ich bin in einer Stunde zurück.«
Er ging an den Zeltreihen vorbei, eine schier endlose Schlange aus ungebleichter Leinwand. Eine Miniatursiedlung aus Segeltuch, in der sich alle Höhen und Tiefen des menschlichen Zusammenlebens abspielten: Geburt und Tod; Familienleben, Liebe und Einsamkeit. Die letzten Wochen hatten allen eine Atempause von dem Marsch beschert. Aber Steel wusste, dass der kommende Angriff die Illusion häuslicher Ruhe zerstören würde. Schmerz und Tod würden dann erneut den Alltag beherrschen.
***
Schließlich gelangte er zu den größeren Zelten der Regimentsoffiziere und fand etwa in der Mitte der neuen Reihe die Unterkunft, die er suchte. Ohne sich förmlich anzumelden, hob er den Stofflappen am Eingang an und betrat das Zelt, das mit seinen Marschmöbeln eine gewisse Behaglichkeit verströmte.
Major Frampton drehte sich zu dem unerwarteten Gast um. »Steel. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir verabredet waren. Wie kann ich Euch behilflich sein?«
Für Steel war jetzt keine Zeit für Höflichkeitsfloskeln. »Ich weiß, was Ihr vorhabt, Frampton.«
Der Major zog die Stirn in Falten. »Verzeiht, aber ich kann Euch nicht folgen, Captain Steel. Und ich weise Euch freundlich darauf hin, mich beim nächsten Mal mit meinem Rang anzureden. Ich bin der höhere Offizier.«
»Wenn es nach mir ginge, hättet Ihr schon längst keinen Rang mehr. Das Spiel ist aus.«
Frampton schoss die Röte in die Wangen. »Ich warne Euch, Mr. Steel. Wenn Ihr nicht augenblicklich Abstand von diesem ungebührlichen Verhalten nehmt, sehe ich mich gezwungen, Euch unter Arrest zu stellen. Und jetzt seid so freundlich, mein Zelt zu verlassen.«
Steel konnte die Angst seines Kontrahenten förmlich riechen. Er stellte sich vor den Adjutanten, sodass sein Gesicht nur zwei Fuß von Framptons entfernt war. »Hört auf zu bluffen, Frampton. Ich weiß alles.«
Steel schaute sich in dem Zelt um und entdeckte schließlich, wonach er suchte. Aus der Schublade einer Holztruhe lugte ein Stapel gedruckter Papiere. Steel setzte alles auf eine Karte. Er riss die Schublade auf und griff nach den Papieren. Ein Blick genügte ihm. Frampton erbleichte.
Steel hielt ihm die Pamphlete vors Gesicht. »Dies hier, Frampton. Ich weiß, dass Ihr hinter all den Lügen steckt.«
Einen Augenblick wirkte der Major gehetzt; dann hatte er seine Fassung wieder. »Gütiger Gott! Wie sind die nur dahin gekommen? Ich gebe zu, ich weiß, was in diesen
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