Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Euer Hoheit. Und habt Dank für die Ehre, mich für diese Mission ausgewählt zu haben. Ich werde Euch nicht enttäuschen.« Er suchte Hawkins’ Blick. »Wann breche ich auf, Sir?«
»Wir dürfen keinen Augenblick verstreichen lassen. Und es muss eine mondlose Nacht sein. Ihr werdet morgen Abend aufbrechen.«
10.
Steel legte sich den dicken wollenen Mantel enger um die Schultern, zog den Dreispitz tief ins Gesicht und hielt den Blick gesenkt. Nicht nur, weil ihm die Kälte der Nacht in die Glieder fuhr, sondern weil er sich nicht den Blicken der französischen Wachposten aussetzen wollte, die gewiss die Wasserarme des Marschlandes im Auge behielten. Zwei erfahrene Seeleute aus Fairbornes Flotte tauchten die mit Lappen umwickelten Riemen leise ins Wasser und steuerten das kleine Boot immer weiter von der Kapelle St. Elizabeth-in-der-Marsch fort. Steel sah, wie die Umrisse des Gotteshauses undeutlicher wurden, während das Boot dem Verlauf des Wasserarms folgte, immer näher zum Feind.
Die Marsch war in der Dunkelheit voller Leben. Schemenhaft huschten Insekten und Frösche nah am Boot über das Wasser, und von allen Seiten drangen seltsame, gutturale Laute an Steels Ohren. Aufdringlich waren jedoch die Stechmücken. Steel spürte, wie sich einer dieser Plagegeister in die Haut seines Unterarms bohren wollte, und schlug danach.
»Verdammtes Viehzeug. Ich schwöre Euch, Jacob, wir werden alle am Marschfieber sterben, ehe die Belagerung endet.«
»Meint Ihr wirklich, Sir? Mir ist der Gedanke lieber, dass der Allmächtige ein ansprechenderes Schicksal für uns beide vorgezeichnet hat, Mr. Steel.« Slaughter schlug sich auf die Wange, um eine besonders hartnäckige Stechmücke zu erwischen.
»Jacob, es heißt Captain Steel, wie Ihr Euch vielleicht erinnert. Aber wenn wir in der Stadt sind, dann nennt Ihr mich gefälligst nicht so, klar? Auch nicht Sir. Am besten sagt Ihr gar nichts.«
»Tut mir leid, Mr. … tut mir leid, Sir. Ich versuch, daran zu denken.«
Aus der Dunkelheit war die Flüsterstimme eines Mannes zu hören, der bei den Rudergasten saß. »Ihr müsst leise sein, Messieurs. Die Franzosen können uns hören.«
Ihr Begleiter war ein Flame namens van Koecke. Ein kleiner Mann mit krummer Nase, der vor dem Krieg ein unehrlicher Krämer gewesen war und inzwischen festgestellt hatte, dass er sich die Fähigkeit, die Kunden übers Ohr zu hauen, auch in der besetzten Stadt zunutze machen konnte. Er verfügte außerdem über solide Ortskenntnisse, und da er stets darauf bedacht war, möglichst viel Geld zu scheffeln, bot er den Alliierten seine Dienste an, mochte der Auftrag noch so gefährlich sein. Hauptsache, der Preis stimmte. Mehrfach hatte er beteuert, er wünsche sich nichts sehnlicher, als sein Land von den Franzosen zu befreien. Er würde alles tun, um dieses Ziel zu erreichen, hatte er Steel noch vor wenigen Minuten bei der Kapelle versichert. Nur zu gern hatte er die Goldmünzen eingesteckt. Die Hälfte erhielt er als Vorschuss, den Rest sollte es erst geben, wenn er die beiden »Deserteure« am Schleusentor abgeliefert hatte.
Steel nickte in Richtung des Ortskundigen und schwieg. Langsam glitt der kleine Kahn mit sanften Schaukelbewegungen durchs Wasser. Inzwischen konnte Steel die Umrisse der südlichen Befestigungsanlagen ausmachen, die sich auch ohne Mondlicht tiefschwarz gegen den Nachthimmel abzeichneten. Während sie weiter nach Süden drifteten, verschwand die Stadtsilhouette allmählich wieder aus seinem Blickfeld. Steel wusste, dass die Nachtfahrt sich dem Ende zuneigte, als sie in einen anderen Wasserarm einbogen und in nordöstlicher Richtung blieben. Dies war der gefährlichste Moment, da sie unmittelbar unterhalb der Mauern der sternförmig angelegten Schanze des Forts St. Philip fuhren, das nach wie vor in französischer Hand war. Vor dem Bug mündete der Bachlauf in den breiteren Fluss. Steel hob vorsichtig den Blick und schaute zur Festung hinauf – die Silhouetten von zwei hell gekleideten Wachposten zeichneten sich auf dem Wehrgang ab. Langsam patrouillierten sie, die Musketen geschultert, auf der Mauer, gingen aufeinander zu und entfernten sich wieder in immer derselben Routine voneinander. Die Rudergasten zogen die Riemen langsamer durchs Wasser und nutzten ihre ganze Erfahrung, als sie das Boot leise in die offene Wasserfläche steuerten. Das Knarren der Riemen am Dollbord war nicht lauter als das schwappende Geräusch des Wassers am Rumpf.
Steel kam es wie eine Ewigkeit
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