Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
vor, doch schließlich hatten sie die Sternschanze passiert. Kurz darauf bildete er sich ein, weiter vorn die Überreste der Pontonbrücke erkennen zu können, über die die Stadt einst weiter östlich mit der Ebene in Küstennähe verbunden gewesen war. Irgendwo aus der Dunkelheit kam das charakteristische Trällern eines Brachvogels. Steel spähte zur eingestürzten Brücke hinüber. Weiter links entdeckte er Lichtpunkte, die zu den Häusern im Hafenviertel gehörten, und dahinter ragten die Masten zweier Schiffe in den Nachthimmel, die im Hafen vor Anker lagen. Das Boot umrundete jetzt den östlichen Uferverlauf, und die Rudergasten bemühten sich, möglichst lange in den tiefschwarzen Schatten entlang der Uferböschung zu bleiben. Steel hatte freien Blick auf Ostende. In der Nacht und im Spiel der Lichter im Hafen wirkte die Stadt wie ein einziger, massiger Monolith aus bedrohlichen Festungsmauern, hier und da überragt von den Kirchtürmen im Stadtinnern. Als sie auf Höhe der zerstörten Brücke waren, steuerten die Rudergasten das Boot in direkter Linie auf die Stadt zu und blieben parallel zum einstigen Brückenverlauf. Steel erkannte voraus einen schmalen Anlegesteg, dahinter ein Loch in der zur See gewandten Mauer – das Schleusentor.
Im nächsten Augenblick waren sie der gähnenden Öffnung ganz nah, und nach weiteren Ruderschlägen schabte der Kiel über das Holz der Anlegestelle. Es gab einen Ruck, der Steel in die Wirklichkeit zurückholte.
Van Koecke sprach im Flüsterton. »Also, Gentlemen, die Bootsfahrt endet hier. Ihr dürft aufstehen. Bitte geht an Land. Aber gebt acht. Eure Leute erwarten Euch schon.« Zu Steel gewandt, raunte er: »Dürfte ich jetzt um das Geld bitten, Sir?«
Steel zog einen Beutel Münzen aus der Manteltasche und reichte ihn van Koecke, der ihm ein fast unterwürfiges Lächeln schenkte. »Viel Erfolg, Gentlemen. Gott schütze Euch. Habt eine gute Nacht.«
Während die Rudergasten das Boot stabilisierten, kletterten Steel und Slaughter behände über die Bordwand und betraten die rutschigen Stufen der Steintreppe, die zum Steg führte. Kaum hatten sie sich oben auf dem Steg orientiert, hörten sie schon, wie die Riemen wieder ins Wasser getaucht wurden. Das Boot entschwand in der Dunkelheit und verschmolz mit dem Schwarz der See. Steel und Slaughter waren allein. Sie schwiegen, da sie nicht sicher waren, ob man sie oben auf der Mauer hören konnte.
In dem Tunnel hinter dem Schleusentor befand sich keine Lampe. Dennoch fiel aus den Fenstern der Häusern über ihnen ein wenig Licht in den geheimen Zugang. Am Ende des Stegs traten nun zwei in Mäntel gehüllte Gestalten in den diffusen Lichtkegel. Steel umschloss den Knauf seines Degens mit einer Hand und bedeutete Slaughter stumm, zwei Schritte hinter ihm zu bleiben. Für die Mission hatten sie ihre Musketen zurückgelassen und waren stattdessen mit Stichwaffen ausgerüstet; Steel hatte den großen Degen mit der Klinge aus italienischem Stahl bei sich, Slaughter einen kleineren Degen, den er sich von Tom Williams geborgt hatte. Vorsichtshalber trug Steel zwei geladene Pistolen im Gürtel. Die beiden Gestalten traten vor. Einer der Männer, ein freundlich aussehender Mann Ende zwanzig, nahm seinen Hut ab.
»Guten Abend, meine Herren. Captain Steel, dies ist mein Freund Hubert Fabritius.«
»Es freut mich, Euch wiederzusehen, Mr. Brouwer. Dies hier ist Sergeant Slaughter.«
»Wir sind hier, um Euch zu helfen, Captain, wie Ihr wisst. Aber da so viele Menschen der Stadt durch britische Kanonen ums Leben gekommen sind, müsst Ihr damit rechnen, dass die Leute hier wenig für Briten übrig haben. Aber wir müssen jetzt fort, ehe die Wachposten oben patrouillieren.«
Steel schwieg, hörte aber auf Brouwer, der die beiden tiefer in den gewölbten Durchgang der Schleuse winkte. Der Gang führte fort vom Tor und schlängelte sich tief ins Herz der Befestigungsanlagen, war jedoch an vielen Stellen so schmal, dass ein Mann kaum hindurchpasste. Bald gelangten sie an eine Holztür. Brouwer drehte den Türknauf und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Aufmerksam spähte er in die Straße. Erst als er sicher war, dass niemand sie beobachtete, drückte er die Tür weiter auf und bedeutete den anderen, ihm ins Freie zu folgen. Sie traten hinaus in eine schmale, mit Kopfstein gepflasterte Gasse und folgten ihrem Verlauf, bis sie eine Kreuzung erreichten. Die andere Straße war breiter und wies stattlichere Häuser auf. Das Licht aus den
Weitere Kostenlose Bücher