Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
begleiten, als Teil einer Eskorte für einen Tross Versorgungswagen.«
Steel kannte Webb. Er war ein vernünftiger Kommandant, der eine Brigade bei Blenheim befehligt hatte, und nun den Befehl über eine Division hatte. Es war eine eigenartige Aufgabe für einen Mann mit seinen Befähigungen.
»Vorräte? Von welcher Stadt? Brüssel?«
»Nein, Sir. Die Straße ist blockiert. Vorratslieferungen aus Ostende, Sir. Ihr sollt mit dem General losmarschieren und dem Konvoi von Ostende Begleitschutz geben. Ihr werdet nicht allein sein. Der General verfügt über vierundzwanzig Bataillone Infanterie und sechsundzwanzig Schwadronen Kavallerie.«
Eine beachtliche Streitmacht, dachte Steel. »Wie steht es um uns? Wie weit sind die Franzosen vorgedrungen?«
»Es heißt, dass der Feind entlang der Schelde eine Linie von Lille bis nach Gent gesichert hat, während wir hier die Stadt belagern, Sir. Und der Feind ist stark. Tatsache ist, dass sie uns den Weg nach Brüssel abgeschnitten haben. Wir halten noch den Hafen und haben Zugang dorthin über die Straße von Menen nach Torhout, aber an manchen Stellen wird die Verteidigung schwierig. Der Feind steht auch vor Ypern und Nieuport. Im Augenblick ist General Erle mit einem Konvoi vom Hafen aus unterwegs zu unserem Lager, mit Munition und anderen Vorräten.«
Steel erbleichte. Henrietta war noch in Brüssel. Er hatte sie persönlich dorthin geschickt, weil er die Stadt für sicher hielt. Und jetzt sah es so aus, als hätte er sie geradewegs in die Arme des Feindes getrieben.
»Wir haben Brüssel verloren?«
»Nein, Sir, nicht verloren. Die Stadt ist abgeschnitten.«
»Ich danke Euch, Cornet. Ihr dürft gehen. Sagt General Webb, dass wir uns für den Abmarsch bereit machen.«
Steel wandte sich von dem jungen Offizier ab, der zurück durch den Graben stapfte. Hansam musterte seinen Kameraden. Er schien Steels Gedanken lesen zu können.
»Mach dir keine Sorgen, Jack. Es geht ihr bestimmt gut. Sie wird noch rechtzeitig die Stadt verlassen haben. Sie hat auch Ostende überlebt. Brüssel dürfte keine große Sache sein.«
»Keine große Sache? Eine französische Armee steht zwischen mir und meiner Frau, und du nennst das keine große Sache? Pass auf, was du sagst, Henry.«
»Tut mir leid, Jack. Das war nicht besonders feinfühlig von mir. Aber es stimmt doch. Außerdem, was willst du machen? Nichts.«
Beide wussten, dass Hansam recht hatte. Sie hatten vom Brigadegeneral den Befehl erhalten, sich für den Abmarsch bereitzuhalten, und daran gab es nichts zu rütteln. Allerdings würden sie nicht direkt bis nach Ostende marschieren. Dieser Name hatte sich in Steels Gedächtnis eingebrannt: Die Stadt war für ihn gleichbedeutend mit Tod und furchtbarem Gemetzel. In einem Verlies dort hatte er mit ansehen müssen, wie ein Freund kaltblütig zu Tode gemartert worden war. Auch Steel hätte beinahe sein Leben verloren. Doch Ostende war auch der Ort, an dem er zum ersten Mal seine geliebte Henrietta wiedergesehen hatte.
Während Steel noch gedankenversunken dastand, machte Slaughter keinen Hehl aus seiner Freude. »Gott sei Dank, sag ich. Endlich kommen wir aus dem verdammten Graben raus. Ich sag’s den Männern, Sir. Die werden sich freuen, das weiß ich.«
»Danke, Sergeant. Ich bin auch froh, was das anbelangt.«
Williams lief den Graben entlang. »Sir, habt Ihr gehört? Wir sollen mit General Webb marschieren. Ein ganzes Bataillon Grenadiere aus allen Divisionen. Ich habe den jungen Bellows auf dem Weg hierher getroffen. Er hat mir alles erzählt. Ist das nicht fantastisch?«
»Habt Ihr zufällig daran gedacht, Euren Freund zu fragen, wo genau wir uns der Marschsäule anschließen sollen? Ist mir schlichtweg entgangen.«
Williams sah äußerst zufrieden mit sich aus. »Ja, ich habe daran gedacht, Sir. Wir schließen uns den anderen Einheiten an einem Ort namens Wijnendale an. Der General rechnet wohl nicht mit Gefechten, aber was soll’s? Immer noch besser, als hier ausharren zu müssen, meint Ihr nicht auch, Captain?«
»Ja, Tom, da habt Ihr ganz recht.«
***
Während die Grenadiere damit beschäftigt waren, ihr Lager am Graben aufzulösen und die schmutzigen und verdreckten Stellungen einer Kompanie aus missmutigen Dragonern überließen, war keinem der Männer bewusst, dass ihr Schicksal einige Meilen entfernt in einem Zelt auf den Feldern südlich von Brügge bestimmt wurde.
Marschall Vendôme fuhr mit den Fingern über eine Karte der Südlichen Niederlande und
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