Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Mann so etwas nicht zweimal passierte. Ja, er war überzeugt, dass es nur Klatsch und Tratsch war. Dennoch wusste er, dass er als Erstes nach Henrietta Ausschau halten würde, sobald sie in die Stadt gelangten. Nur um sicherzustellen, dass es ihr gut ging. Malbec wollte er zunächst einem Mann wie Simpson überlassen.
Das kleine Boot, in dem seine halbe Kompanie Platz fand, durchschnitt das Wasser, und die Männer der Royal Navy legten sich tüchtig in die Riemen. Sie hielten geradewegs auf die östliche Seite der Stadt zu, flankiert von elf weiteren Barkassen, die das gesamte Bataillon beförderten … ohne die Verluste, die sie in Gistel erlitten hatten.
Slaughter war, wie nicht anders zu erwarten, genauso unzufrieden wie bei der ersten Expedition. »Diese Kähne sind doch gar nicht für so einen Einsatz gemacht, Sir. Die haben sonst Getreide geladen, aber doch nicht Soldaten für den Angriff. Die Franzmänner entdecken uns jeden Moment, und dann bricht hier die Hölle los, Captain.«
»Bislang haben sie uns jedenfalls nicht gesehen, Sergeant, und wir haben nur noch etwa hundert Yards vor uns. Die Männer sollen sich bereithalten.«
Steel hatte vor, auf der rechten Flanke der Angreifer an Land zu gehen. Auf diese Weise würden sie im schlimmsten Fall nur von wenigen Franzosen gesehen, und wenn der Feind Alarm schlug, bliebe den Grenadieren noch genug Zeit, sich am Ufergürtel zu formieren und die feindlichen Linien anzugreifen. Doch sein Ziel war nicht, sich auf ein langes Feuergefecht einzulassen. Das käme Selbstmord gleich, zumal die Grenadiere hoffnungslos in der Unterzahl waren. Daher war es wichtiger, möglichst viele Grenadiere in die Stadt zu schicken. Inzwischen hatte Marlborough gewiss die Verstärkung entsendet, aber Steel war auch klar, dass der Entsatz mindestens einen Tag unterwegs sein würde. Die Verteidiger brauchten jetzt mehr Musketen innerhalb der Mauern und Barrikaden, bis die Verstärkung nahte.
»Die Männer sind bereit, Sir«, erstattete Slaughter Bericht. »Aber ich hab da so meine Zweifel.«
»Was die Marineinfanteristen schaffen, das schaffen wir auch, Jacob. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn Eure Stiefel ein bisschen nass werden?«
Am Himmel stand kein Mond, aber als die Barkassen sich dem Uferverlauf näherten, warfen die Blitze der Belagerungsgeschütze und die brennenden Häuser einen unwillkommenen Lichtschein in Richtung der Boote. Sie waren noch etwa fünfzig Schritte entfernt, als Steel den Warnruf hörte, mit dem er gerechnet hatte: »Aux armes! A droit!«
Er wusste, dass dies der entscheidende Moment war. Der zeitliche Ablauf war ausschlaggebend. Die erste Barkasse lief mit einem Knirschen auf den Ufergürtel, dicht gefolgt von der zweiten. Steel spürte das Ufer unter dem Kiel des eigenen Bootes und hielt sich an der Bordwand fest. Im nächsten Augenblick sprang er in das seichte Wasser, sank bis zu den Knöcheln in den weichen, grasüberzogenen Boden und hielt den Degen bereit. Seine Männer folgten ihm. Er hörte Slaughters Fluchen, als sie die Uferböschung hinaufstapften. Inzwischen hatten auch die anderen Barkassen angelegt, und die Grenadiere strömten an Land.
»Formieren!«, rief Steel. »Zu mir! Alle mir nach!«
Im selben Moment krachten die feindlichen Musketen, doch sie waren zu weit entfernt und richteten keinen Schaden an. Dennoch war Steel bewusst, dass sie es mit den Schützen würden aufnehmen müssen, wenn sie es bis zu den Barrikaden schaffen wollten.
»Sergeant, die Männer formieren. Gefechtslinie.«
Sekunden später standen die Grenadiere in Angriffsformation. Die Kameraden aus den anderen Booten hatten zu Steels halber Kompanie aufgeschlossen. Die Preußen stellten sich in der Reihe hinter ihnen auf, dahinter die Niederländer. Einen Augenblick lang genoss Steel das Gefühl, ein ganzes Bataillon zu befehligen. Schließlich hob er den Degen und gab den Befehl: »Vorrücken!«
Steel hatte sich den Degen flach auf die Schulter gelegt und blieb an der linken Flanke seiner Kompanie, als das Bataillon sich entlang des Uferverlaufs in Richtung der Franzosen in Bewegung setzte. Auf eine Distanz von dreißig Schritten feuerte der Feind seine zweite Salve ab. Steel hielt den Atem an und sah, wie zwei seiner Männer zu Boden gingen, doch schon war die zweite Reihe über die beiden hinweggestiegen.
»Weiter! Tempo halten! Sergeant Slaughter, bei zwanzig Schritten halten. Peloton-Feuer, Zug um Zug!«
Die Grenadiere machten bei der vorgeschriebenen Marke
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