Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
empfangen?«
»Nein, Sergeant. Nicht feuern. Es könnte ein Trick sein. Diese Distanz können sie in weniger als einer Minute überwinden. Und womöglich rechnen sie damit, dass wir mit unserer Feuerkraft nicht nachkommen. Ich weiß auch nicht, was die vorhaben. Was meint Ihr, Sergeant?«
Slaughter grinste. »Ihr kennt mich ja, Sir. Ich denke nicht. Das tue ich erst, wenn ich den Befehl dazu erhalte.«
»Jetzt bitte keine Scherze, Jacob. Was denkt Ihr, was diese Kerle im Sinn haben?«
»Nun, wenn Ihr wirklich meine Meinung hören wollt, Sir, ich hab mir dieselbe Frage gestellt wir Ihr. Warum bleiben die stehen? Das sind genug Reiter, um eine Brigade anzugreifen, von unserem kleinen Bataillon einmal abgesehen. Was also hält sie auf, in Gottes Namen?«
***
Es hätte Slaughter bestimmt amüsiert, hätte er gewusst, dass der Befehlshaber der Franzosen sich in diesem Augenblick dieselbe Frage stellte. Marschall Vendôme hatte sich im Verlauf der letzten halben Stunde zu Fuß und im Schweiße seines Angesichts bemüht, die Kontrolle über die verzweifelt kämpfenden Infanteristen wiederzuerlangen, die im Zentrum der französischen Linie in der Nähe des Dorfes Groenewald in Bedrängnis geraten waren. Nun saß Vendôme hinter den französischen Stellungen schwitzend und verdreckt auf einem Baumstumpf abseits der Siedlung Lede, um zu verschnaufen.
Es ging auf sieben Uhr abends zu, als der Marschall sich erhob und sich an seinen Sekretär wandte.
»Wir siegen, du Capistron. Siegen, hört Ihr? Aus beiden Dörfern haben wir sie zurückgedrängt und zum Fluss getrieben. Ich dachte immer, der gute Marlborough wäre ein Intellektueller, der die großen Generäle studiert hat. Aber viel kann er sich in Sachen Strategie nicht angeeignet haben. Im Rücken hat er Marschland und den Fluss. Er sitzt in der Falle, du Capistron. Wir haben ihn. Und jetzt müssen wir nachsetzen. Schnelles Handeln ist alles. Geschwindigkeit um jeden Preis. Wenn wir jetzt versäumen, rasch vorzurücken, gehen wir das Risiko ein, die Schlacht zu verlieren. Nutzen wir jedoch die Gunst der Stunde, tragen wir den Sieg davon.«
Er schritt an den letzten Häusern der Siedlung vorbei und stand oberhalb des Bachlaufs, der sich die Anhöhe hinunter schlängelte. Inzwischen war es schwierig, im anhaltenden Regen den Überblick zu behalten, aber als Vendôme den linken Flügel in Augenschein nahm, glaubte er, die Umrisse von Infanteristen und Reitern unmittelbar vor dem Dorf Royghem erkennen zu können. Mehrere Schwadronen. Vermutlich hatte der Herzog von Burgund die Einheiten als Reserve zurückbehalten, als er Marlboroughs rechten Flügel angegriffen hatte.
Angestrengt spähte der Marschall in die Ebene. Als seine Augen sich besser an die Sichtverhältnisse gewöhnt hatten, gewahrte er, dass sich dort sehr viel mehr Soldaten aufhielten, als er zunächst vermutet hatte. Während er die Einheiten zu zählen versuchte, wurde ihm klar, dass es sich nicht nur um eine Handvoll Schwadronen handelte, sondern um den gesamten Flügel der Streitmacht. Die Soldaten standen in wohlgeordneten Schlachtreihen und warteten – wie sie es offenbar schon den ganzen Tag getan hatten.
Ungläubig schüttelte Vendôme den Kopf und rief aufgeregt nach seinem Sekretär, der auf der Stelle zu seinem Herrn eilte. »Was tun die Männer dort, in Gottes Namen? Warum ist er nicht vorgerückt? Dieser Tölpel! Er hätte die Truppen längst in die rechte Flanke des Gegners führen müssen. Vor über einer Stunde habe ich den Befehl dazu erteilt! Hat der Herzog denn die Order nicht erhalten? Kann das sein, Mann? Schickt den Befehl noch einmal. Er muss angreifen! Was treiben die Einheiten dort unten? Sie stehen! Sind die denn vom Irrsinn befallen? Rasch, Mann, bringt den Befehl zu Papier!«
Doch noch während der Marschall seinem Sekretär den Wortlaut der Order diktierte, wurde ihm bewusst, dass es bereits zu spät war. Sie hatten den Augenblick verstreichen lassen, die Gelegenheit zum vernichtenden Schlag war dahin. Ein letzter Blick in die Ebene verriet Vendôme, dass Marlborough den verwundbaren rechten Flügel inzwischen mit mindestens zwei Regimentern Kavallerie geschützt hatte. Eine verpasste Gelegenheit.
Er gab du Capistron ein Zeichen. »Nein, nein, lasst es. Vergeudet nicht Eure Zeit. Es ist zu spät. Dieser Esel hat seinen Einsatz verpasst. Ich hoffe nur, dass er uns dadurch nicht um den Sieg gebracht hat.«
***
Steel und Slaughter starrten immer noch in Richtung der reglosen
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