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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Gale
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Häuserfronten brannten. Steel stand einen Moment lang unter der Arkade auf der Südseite des Platzes und schaute sich um. Aus bemalten Kutschen stiegen prunkvoll gewandete Mitglieder der noblesse de robe , die Crème de la Crème der Pariser Gesellschaft. In den großen Hotels, die zu den besten Adressen in Paris gehörten, flackerten Kerzen in den Fenstern.
    Ein Gebäude jedoch badete in unvergleichlich hellem Licht. Es war das Hotel Camus, ursprünglich erbaut vom Sekretär Ludwig XIII. und offiziell die Nummer 24 auf dem Platz. Seit 1623 war es immer wieder von französischen Marschällen bewohnt gewesen. Zumindest hatte Simpson ihm das mit einem trockenen Lächeln gesagt, als er sich verabschiedet hatte. Das mehrstöckige Gebäude ragte an der nordöstlichen Ecke des Platzes auf, unmittelbar an der Rue Pas de la Mule, und zu ebenjenem Haus strebten nun die feinen Leute über das Kopfsteinpflaster. Weitere Fackeln hatte man direkt neben den Türen platziert, und zahllose livrierte Diener halfen den Gästen aus den Kutschen.
    Was für eine Ironie, dachte Steel, dass ausgerechnet dieses Haus sein Ziel sein sollte. Entsprechend der militärischen Tradition hätte das Haus mit der Nummer 24 den Maréchal Louis-François, Duc de Boufflers, beherbergen müssen. Doch an diesem Abend würde Boufflers nicht den Gastgeber spielen können: Steel wusste, dass der Mann zurzeit in Lille festsaß, ausgerechnet in der Stadt, die von der alliierten Armee belagert wurde – unter der Führung des Mannes, den andere als Herzog von Marlborough kannten, der aber für Boufflers immer nur John Churchill sein würde. Denn die beiden Männer waren alte Freunde und Kampfgefährten aus jenen Tagen, als sie bei Maastricht bei einer anderen Belagerung gegen die Niederländer gekämpft hatten, damals im Sold des Sonnenkönigs.
    Eigenartig, dachte Steel, welch seltsame Liaisons der Krieg schuf. Nein, an diesem Abend würde er dem Marschall nicht begegnen. Gott allein wusste, was ihn noch erwartete.
    Boufflers Residenz hatte für diesen Abend ein anderes Mitglied der Aristokratie gemietet, eine Herzogin aus königlichem Geblüt, deren eigenes Domizil, ein Château, außerhalb der Stadt lag. Simpson, der zu den Vertrauten der Herzogin gehörte – sowie anderer Damen bei Hofe –, stand selbstverständlich auf der Gästeliste; da war es nur einleuchtend, dass er einen alten Freund aus Irland mitbrachte, der unlängst aus dem Krieg zurückgekehrt war.
    Steel hatte das ungute Gefühl, nicht wie ein tapferer irischer Söldner auszusehen, aber er vertraute auf Simpson, der ihn bei der Auswahl der Kleidung gewiss gut beraten hatte. Und richtig: Als er sich dem Strom der Gäste vor dem Haus anschloss, fiel er keineswegs aus der Reihe; sein Gehrock war sogar schlicht im Vergleich zu manchen modischen Kreationen, die einige der Herren zur Schau trugen.
    Einer der Männer kam auf ihn zu. Im letzten Moment erkannte Steel, dass es Simpson war – gepudert und mit Juwelen behängt wie alle anderen Gäste. Er trug einen maßgeschneiderten Rock aus hellblauer Seide. Ehe Steel reagieren konnte, hatte sein Gastgeber ihm bereits eine Hand auf die Schulter gelegt und küsste ihn auf die Wange.
    Steel wich unwillkürlich zurück. Simpson lächelte indes und schüttelte den Kopf. »Captain Johnson, küsst Ihr nicht, mein guter Junge? Das tun alle Männer hier in Paris, ganz gleich, welcher Gesinnung wir sind. Seid versichert.«
    Zweifellos richtig, dachte Steel, denn andere Männer in der Nähe begrüßten einander auf diese Weise. Die Damen selbstverständlich auch.
    »Wie gut Ihr ausseht, nach einem Bad und einem Blick in meine Garderobe«, fuhr Simpson anerkennend fort. »Ihr habt doch ein Bad genommen?«
    »Selbstverständlich. Wisst Ihr denn nicht mehr, wie wir darüber gesprochen haben?«
    »Ich erinnere mich noch an jedes Wort, mein lieber Junge. Aber ich spüre immer noch, dass Ihr von Kopf bis Fuß – und in Eurem Herzen – ein Soldat auf dem Feldzug seid. Euer Ballsaal ist das Schlachtfeld. Ihr gedeiht im Matsch und Sumpf. Glaubt Ihr, dass ich einst auch so war? Ich nehme an, dass es so gewesen sein muss. Bleibt für mich nur der Schluss, dass ich in Gesellschaft all dieser Zivilisten verweichlicht bin. Bisweilen frage ich mich, ob mein Alter Ego die Oberhand gewonnen hat. Ich bin sicher, dass ich heute gar nicht mehr wüsste, was ich an der Spitze einer Kompanie von Rotröcken machen sollte.«
    Steel lächelte. »Vielleicht fällt es Euch eines Tages

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