Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Bleiglasfenster und schaute auf die Straße. Da draußen das Licht spärlicher wurde, entzündete der Mann eine Kerze auf dem Fenstersims. Der Fremde war kleiner als Steel und stand mit dem Rücken zur Tür.
Als er sich umdrehte, sah Steel, dass er lächelte. »Captain Johnson. Wie schön, Euch wiederzusehen. Willkommen in Paris.«
An den Bediensteten gewandt, sprach er: »Merci, Gabriel. Ça c’est bon.«
Der Butler nickte respektvoll, wandte sich zum Gehen und warf Steel noch ein steifes Lächeln zu, als er die Tür schloss.
Der Hausherr sprach nun leiser und nickte bedächtig. »Mein lieber Captain, ich stehe Euch zu Diensten, aber hier, wie auch in der Stadt, ist es am besten, wenn Ihr mich mit St. Colombe ansprecht.«
Steel ließ das Zimmer auf sich wirken. Wie in vielen anderen privaten Räumlichkeiten roch es auch hier nach Hammelfett, das für Talgkerzen verwendet wurde. In diesen Geruch mischte sich schwach der Duft von Lavendelzweigen, die entlang der Fußleisten lagen und täglich über die Dielen gefegt wurden. Es war ein bescheidenes Haus und nicht so eindrucksvoll, wie der Eingang hätte vermuten lassen. Die Möbel waren abgenutzt und passten gut zu dem gebildeten, drolligen und ein wenig nachlässig gekleideten Mann, der Simpson zu sein vorgab.
»Ihr müsst müde sein nach Eurer Reise. Wie lange wart Ihr im Sattel?«
»Fünf Tage, die Zeit in der Kutsche inbegriffen.«
Simpson musterte ihn vom Scheitel bis zur Sohle und sog die Luft durch die Nase ein. »Lange genug. Also, um den Schein zu wahren und Eure Rolle zu untermauern: Wir sind alte Freunde und müssen uns auch so benehmen. Es wird mir ein Vergnügen sein, Euch näher kennenzulernen, da bin ich sicher.« Er lächelte. »Oh, keine Sorge, ich erwarte keine Darbietung, wie man sie im Theater in Drury Lane zu sehen bekommt, Captain, nur ein wenig Schauspielerei in bescheidenem Maße. Ihr wisst schon, brüderliche Zuneigung und dergleichen. Von Zeit zu Zeit umarmt Ihr mich. Ein Küsschen auf die Wange, wie es hier in Frankreich üblich ist, wäre auch nicht verkehrt. Tut so, als würdet Ihr meine Gesellschaft genießen, auch wenn dem nicht so ist. Lächelt, wenn Ihr meiner ansichtig werdet. Verhaltet Euch höflich.«
Steel schüttelte den Kopf. »Bitte, Sir. Mir wäre es lieber, wenn Ihr nicht versuchen würdet, mir gute Manieren beizubringen. Ihr dürft mir vertrauen, dass ich mich angemessen verhalten werde.«
»Mein lieber Captain, mir geht es nur darum, Euch das Aussehen und Verhalten des Schlachtfelds und des Feldlagers auszutreiben – so rasch wie Ihr es schafft, Euren Geruch loszuwerden. Gabriel wird Euch ein Bad bereiten. Bedient Euch an der Pomade, wie es Euch beliebt.«
Steel seufzte und biss die Zähne bei dieser Beleidigung zusammen.
Simpson spürte Steels Verdruss und fuhr rasch fort: »Bitte um Vergebung, Captain. Ich wollte bloß versuchen, Euch mit meiner Welt vertraut zu machen. Aber ich sehe, dass Ihr zurechtkommt. Daher dürfte es Euch nicht ungelegen sein, wenn ich Euch sage, dass wir heute Abend eine Soiree besuchen werden – in der Tat eine Veranstaltung der Saison, zumindest was davon übrig ist, da der König in Versailles ist und die Alliierten vor unserer Tür stehen. Ich fürchte, ich habe noch Geschäftliches zu erledigen. Ich treffe Euch dann auf der Soiree. Gabriel kennt die Adresse und wird Euch mit allen weiteren Informationen versorgen. Und nehmt auf jeden Fall eine Kutsche.«
Steels Geduld wurde auf die Probe gestellt. Derartige Details waren überflüssig, und er hatte noch eine Menge Fragen. »Ja, gewiss. Aber könnte ich nicht erfahren, wie ich Major Charpentier treffe? Was ist mit dem Hôpital des Invalides?«
»Alles zu seiner Zeit, Captain. Ihr werdet den Major morgen treffen, im Hospital. Den genauen Zeitpunkt weiß ich noch nicht, aber er hat mir versichert, dass er auf Euch warten wird. Die Anstalt findet Ihr ohne Probleme, obwohl sie außerhalb der Stadt liegt, umgeben von Feldern. Ich besorge Euch einen Laufburschen, der Euch begleitet.« Er ging zur Tür, verabschiedete sich und machte eine letzte, scharfe Bemerkung. »Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, mein guter Captain, dann sorgt bitte dafür, dass Ihr vorzeigbar seid. Die Stiefel beispielsweise solltet Ihr nicht mehr tragen. Sie weisen einen Riss auf. Ihr findet Schuhe und Strümpfe in meinem Schrank. Achtet daher auf Eure äußere Erscheinung. Man kann ja nie wissen, wem man noch alles begegnet.«
6.
Draußen wurde es
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