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Stefan Bonner und Anne Weiss

Stefan Bonner und Anne Weiss

Titel: Stefan Bonner und Anne Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Generation Doof
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Jetzt endlich konnte ich ihnen zeigen, wie sehr mir die Penne zum Hals raushing. Die übrigen Prüfungs-noten würden dafür sorgen, dass ich mein Abi trotzdem bekam.
Die Verweigerungstaktik kostete mich nur ein Lächeln – bis ich den Prüfungsraum betrat. Vor mir erblickte ich nicht nur wie erwartet meinen Mathematiklehrer, sondern dort saßen völlig unerwartet einige Ehrengäste: zwei Elternvertreter, der Lehrer, der Schuldirektor und der Herr Bürgermeister persönlich.
Nachdem ich bei der Aufgabe, den Graphen X zu zeichnen, ein Strichmännchen mit Sonnenbrille und Krone an die Tafel gemalt hatte, durfte ich den Raum verlassen. Nach der Notenverkündung verabschiedete mich der Direktor dann auf dem Parkplatz mit der tröstenden Formel »6x = 0«.
Mein Auftritt machte schnell die Runde. Am nächsten Morgen schon wurde meine Mutter beim Bäcker mit der Geschichte von die sem Abiturienten empfangen, der bei der Prüfung eine glatte Sechs in Mathe kassiert hatte. Das beweise doch mal wieder, wie dumm und frech die heutige Jugend sei. Und die lasse man dann auch noch das Abitur bestehen! Hätte es früher nicht gegeben, so was. Mut ter musste zähneknirschend eingestehen, dass das ihr Sohn gewesen war. Ich entschloss mich zu einem Studium im Ausland – und freute mich insgeheim, dass ich trotz der Grundschullehrer, die mich für die Hauptschule empfohlen hatten, das Abitur gemacht hatte. Solche und ähnliche Anekdoten können die meisten von uns erzäh-len. Angesichts unserer Kapriolen sahen viele das bestätigt, was sie insgeheim schon immer geahnt hatten: Hier wuchs eine ziemlich dumme Brut heran, die sich nicht mehr die Bohne für die Segnun gen und Erkenntnisse des Abendlands interessierte.
Einer dieser weitsichtigen Mahner war Johannes Gross, einer der Väter der deutschen Wirtschaftspresse. In seinem Buch Die Deutschen schrieb er bereits 1967: »Die Deutschen haben, seit es Intellektuelle gibt, einen großen Reichtum an ihnen besessen, aber sie haben den Reichtum nicht genutzt.« Vielleicht hat er dabei ja auch das eine oder andere Mal an den dummen Nachwuchs gedacht, der damals peu à peu das Licht der Welt erblickte. Jetzt ist es zu spät, dem ungenutzten Hirnschmalz nachzutrauern. Dabei haben sich unsere Lehrer und Eltern in den neunziger Jahren alle Mühe gegeben, aus uns Schöngeister und/oder achtenswerte Mitglieder der Gesellschaft zu machen. Die harten Fakten des Lebens – Geld, laufende Kosten, Versicherungen, Steuern – spielten nur am Rande eine Rolle. Schöne alte Wohlstandswelt. Keine Probleme, keine Sorgen. Der Schock kam zwischen unserem zwanzigsten und drei ßigsten Lebensjahr, als wir einen Job finden mussten und nicht so richtig darauf vorbereitet waren, dass man uns nicht fürs Schwadro-nieren und Schöntun bezahlen würde. Klar, es hatte auf der Schule sogenannte »Berufsorientierungsveranstaltungen« gegeben. Aber mal davon abgesehen, dass uns das Wort schon viel zu lang war, um es zu Ende zu lesen, flüchteten wir vor solchen Terminen lieber zu McDonald’s. Da gab es warmes, weiches Essen, und das hauseigene Werbeblättchen informierte uns über die neuesten Stars.
Die Schule kam uns immer wie eine Art Freiheitsberaubung vor. Wir wurden den ganzen Tag mit Schöngeistigem und den ho hen Erkenntnissen der Naturwissenschaften gefüttert, ohne dass wir überhaupt wussten, wozu. Wir lernten viel über die Zellteilung bei Amöben und Pantoffeltierchen; wir stellten uns die Gretchen frage und versuchten in Mathematik Funktionen und Gleichungen zu diversifizieren, die wir dann in Graphen umwandelten, die man sogar spiegeln und strecken konnte. Warum ein Brötchen dreißig Cent, damals noch zehn Pfennig, kostete, erzählte uns allerdings niemand. Dafür haben wir beim Brötchenessen dann statt der Tabelle im Börsenteil der Zeitung lieber die aktuelle Tabellensituation der Bundesliga analysiert. Daher können wir heute in der Kneipe prima darüber fachsimpeln, ob der 1. FC Woauchimmer die drei Millionen Euro nicht besser für den Stürmer Mehmet Köpfinseck ausgegeben hätte, anstatt Tony Ballaballa zu holen. Was derweil so in der Weltwirtschaft abgeht, erscheint uns zuweilen immer noch wie eine Geheimwissenschaft.
    »Ich ließ mir meine Bildung nie durch die Schule beeinträchtigen.« Mark Twain Bildung ist in Deutschland auch Jahre nach dem ersten PISATest und den Prototypen der Generation Doof noch immer eine Großbaustelle, auf der die Arbeit niedergelegt wurde. Besonders schmerzhaft ist

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