Steh dir nicht im Weg
Augenhöhe. Wenn man sich in einer |198| Gruppe entweder unsichtbar macht oder die anderen durch tendenziell aggressives Verhalten vor den Kopf stößt, kann keine Integration stattfinden. So war es auch mit einem ehemaligen Teilnehmer einer Transaktionsanalyse-Ausbildungsgruppe:
Beispiel: Dieser zog sich in jeder Pause zurück, um für sich allein etwas zu lesen. Alle anderen Teilnehmer nutzten die Pausen, um miteinander in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen oder sich für den Abend zu verabreden. Er wahrte seine Distanz, um sich anschließend jedoch bei der Feedbackrunde enttäuscht darüber zu zeigen, dass er nicht in die Gruppe integriert sei. Es war ihm nicht bewusst geworden, dass er das durch sein eigenes Verhalten provoziert hatte. Erst als man ihn damit konfrontierte, dass er sich immer dann, wenn Gelegenheit zu privatem Kontakt gegeben war, absonderte, dämmerte ihm langsam, dass ihm die Erlaubnis fehlte, sich in einer Gruppe außerhalb seiner eigenen Familie wohl und zugehörig zu fühlen.
Werde nicht erwachsen
Kinder zu haben ist etwas Wunderbares, vor allem kleine Kinder sind außerordentlich niedlich. Manche Eltern sind jedoch so verliebt in ihre Kleinkinder und identifizieren sich dermaßen mit ihrer Elternrolle, dass sie alles tun, um ein Selbstständigwerden ihrer Kinder zu verhindern. Die Babysprache ist entzückend, aber wenn ein Kind mit sieben Jahren immer noch Babysprache spricht, weil die Eltern und die älteren Geschwister sich ausschließlich so mit ihm verständigen, ist das bedenklich.
Um das Kind möglichst lange im Kleinkindstadium zu halten, reagieren viele Eltern ängstlich und ablehnend auf seine Unabhängigkeitsbestrebungen. Sie machen ihm zum Beispiel Geschenke, die nicht mehr seinem Alter entsprechen und ignorieren seine eigenen Wünsche mit dem Hinweis, dafür sei es noch viel zu klein. Das Kind wird überbehütet und darf vieles nicht, was für seine Altersgenossen ganz |199| selbstverständlich ist: allein Radfahren zum Beispiel oder allein zur Schule oder ins Schwimmbad gehen. Oft sind es Einzelkinder oder die Jüngsten, die von den Eltern so am Erwachsenwerden gehindert werden. Dahinter steckt wohl häufig die elterliche Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, wenn das Kind eigenständig wird.
Die Kinder zahlen für die Annehmlichkeit, so umhegt zu werden, einen ziemlich hohen Preis – sie bleiben von ihren Eltern abhängig. Da sie es nicht gelernt haben, das Leben selbstständig zu meistern, erhalten sie vom Leben meist die Quittung in Form von Enttäuschungen und Misserfolgserlebnissen. Die Unfähigkeit, das eigene Leben in den Griff zu bekommen, signalisiert den Eltern wiederum, dass man sich um dieses »Kind« wirklich kümmern muss. Also nehmen sie weiterhin massiv Einfluss und reden bei allem, was den mittlerweile Erwachsenen betrifft, kräftig mit. Auch wenn die Betroffenen darauf mit Rebellion reagieren, wirkt die Einschärfung »Werde nicht erwachsen« weiter. Und wenn eine rebellisch getroffene Entscheidung sich als unvernünftig erweist, beweist das den Eltern nur, wie sehr ihr Kind sie noch braucht.
Wer die Einschärfung »Werde nicht erwachsen« mitbekommen hat, für den ist es sehr schwer, für sein Leben und seine Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen. Manchmal führt das dazu, dass man sich einen Partner sucht, der die Elternrolle für einen übernimmt. So gerät man in neue Abhängigkeiten. Doch als Erwachsener wird man selten ganz darum herumkommen, eigene Entscheidungen zu treffen – schon allein deswegen, weil der Beruf das verlangt. Die ängstlichen Gedankenmuster, die den Betroffenen dabei begleiten, sehen etwa so aus:
Wie soll ich das denn hinkriegen, ich weiß gar nicht, ob ich das kann.
Wenn ich mich falsch entscheide, gibt es eine Katastrophe.
Ich habe Angst davor, dass alles an mir hängt.
Wieso muss ich die ganze Verantwortung tragen, ich will das nicht.
|200| Hoffentlich geht das gut (mit dem inneren Zusatz »wahrscheinlich nicht«).
Ich habe Angst davor, was da alles passieren kann.
Ich fühle mich völlig allein, hilft mir denn keiner?
Ein Beispiel für die Einschärfung »Werde nicht erwachsen« bot ein Diplom-Psychologe, der das sprichwörtliche »Nesthäkchen« seiner Eltern war:
Beispiel: Als Berufsanfänger hatte er große Schwierigkeiten damit, Verantwortung für Patienten zu übernehmen und therapeutische Gruppen zu leiten. Die Erkenntnis, welche Anforderungen jetzt an ihn gestellt wurden, erschreckte ihn erheblich.
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