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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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sie wollte einfach nicht aufhören. Ich hoffte, dass es dem Ringrichter nicht so sehr auffallen würde, damit er den Kampf nicht abbrach. Verstohlen blickte ich zum Ringarzt, der ein nachdenkliches Gesicht machte. Obwohl Reden im Ring eigentlich verboten ist, sprach ich den Ringarzt sogar an. Der Kampfrichter wies mich deswegen scharf zurecht, aber er ließ weiterboxen. Weil er sah, dass ich zwar blutete, aber nicht ernsthaft angeschlagen war. Er sagte: »Die Ecke muss in der nächsten Pause die Blutung stillen.«
    Da standen sie also alle bereit in meiner Ecke, mit Eis, Adrenalin, Vaseline, einfach allem. Mein Top war schon voller Blut. Mein Team stopfte mir eines meiner Nasenlöcher einfach komplett mit Watte zu, damit das Blut nicht mehr so ungebremst laufen konnte. Dadurch konnte ich aber den Rest des Kampfs nur durch ein Nasenloch atmen, und das nutzte meine Gegnerin natürlich aus. In den Runden sieben, acht und neun konnte sie wirklich glänzen, während ich vor allem versuchte, keine Treffer zu kassieren und vor ihr zu flüchten. Immer nur weg, weg, weg, laufen, laufen, laufen. Das schützt vor Treffern, sieht im Boxring aber nicht besonders gut aus und gibt natürlich keine Punkte.
    Daher setzte ich in der zehnten Runde wieder auf Angriff. Es wurde eine absolute Schlacht. Ich dachte: »Jetzt alles oder nichts.« Der Kampfrichter würde schon nicht in den letzten 20 Sekunden eines Zehn-Runden-Kampfes wegen Nasenblutens abbrechen. Wir schenkten uns beide nichts. Auch Loly gab alles. Zwei Minuten lang schlugen wir uns gegenseitig die Birne ein. Dann war der Kampf zu Ende, wir waren beide fix und fertig und voller Blut. Durch die Treffer war auch Loly mit meinem Blut beschmiert.
    Da stand ich also, im Ring, am Ende meines ersten WM-Kampfes, und sah mich um. Da waren Geschäftsleute, die vorher skeptisch gewesen waren und mich nicht hatten sponsern wollen, denen ich aber eine Freikarte angeboten hatte. Sie standen jetzt mit ihren feinen Anzügen auf den Stühlen und applaudierten. Alle standen auf den Stühlen. »Ro-la! Ro-la!«, brauste es durch die Halle. So viel Jubel!
    Und ich wartete auf die Urteilsverkündung. Das dauerte. Weil keine von uns k. o. gegangen war, mussten die Punktrichter ihre Wertung auf dem Punktezettel abgeben und der Ringrichter alles auswerten, und das dauerte und dauerte und dauerte – vor allem für jemanden, der da oben stand. Der Ringsprecher zog das dann selbstverständlich noch mehr in die Länge, damit die Spannung größer wurde. Ich dachte währenddessen an mein Team, die Sponsoren, die Gäste in der Halle, an all diejenigen, die ich nicht enttäuschen wollte. Nicht meinetwegen und wegen den Mühen im Training, sondern wegen all der Leute, die an mich geglaubt hatten, wollte ich jetzt nicht als Verliererin aus dem Ring steigen. Ich biss vor Aufregung in meine getapte Faust. Die Spannung in der Halle war mit Händen zu greifen. Es gibt ein Foto von diesem Moment, in dem ich in meine Hand beiße, mit gequältem Gesicht auf das Urteil warte, auf den letzten Punktezettel. Ich war kurz vor der Explosion.
    Wirklich erst beim letzten Zettel war klar, dass ich mit zwei Runden Vorsprung in Führung lag.
    Dann hörte ich nur noch Geschrei. Ich stand im Konfettiregen, mein Vater fiel mir um den Hals, ich wurde herumgewirbelt, wusste kaum mehr, wo oben und unten war. Blitzlichtgewitter, Gratulanten, Schwester, Bruder, einfach alle. Und plötzlich hatte ich diese kiloschweren WM-Gürtel um. Alle beide.

Siegen
    Ich bin Rola, die taumelt. Vor Glück. Ich habe den Kampf gewonnen. Ich bin Weltmeisterin. Für diesen einen Moment habe ich trainiert, für ihn lebe ich. Dieser Moment ist der Preis. Nirgendwo anders will ich sein. Nichts anderes will ich haben.
    Ich bin erleichtert, bin begeistert, ich lebe meinen Traum, hier oben, jetzt. Mein Traum findet gerade statt. Es ist nur meiner. Jetzt, in diesem Moment, geht es nicht mehr um die anderen, deren Erwartungen ich erfüllen, denen ich etwas beweisen muss, die mir etwas nicht gegönnt haben, nicht um all die, die mich unterstützt haben, und erst recht nicht um die, die neidisch waren und nicht an mich geglaubt haben. Ich habe allein gekämpft, und ich genieße den Sieg. Ich, das kleine Mädchen aus Ulm, bin Weltmeisterin. Ich bin Rola, die Siegerin.
    So stelle ich mir das Gefühl vor, auf Drogen zu sein. Aber es ist keine Droge, es ist einfach die pure Zufriedenheit. Alle anderen Gefühle sind ausgeschaltet. Es gibt nur dieses eine, diese

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