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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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Überfall liebevoll wieder auf.
    Aber wenn man aus diesen friedlichen Gegenden wieder ein paar Straßen weiter geht, stehen dort Bewaffnete, die in ihrem Denken im Mittelalter hängen geblieben zu sein scheinen. Genau das finde ich schade: dass im Libanon alle Menschen friedlich zusammenleben könnten, wenn es nicht diese paar Radikalen gäbe, die den Frieden zerstören. Diese Leute und die Politik machen das Land kaputt. Und im Libanon sind sie auch inkonsequent, gerade in den muslimischen Gemeinden. Einerseits will man westlich orientiert sein, offen und tolerant, aber sobald etwas nicht passt oder zu problematisch wird, besinnt man sich wieder auf das Arabertum und landet im 18. Jahrhundert. Das müsste nicht sein. Die Politik und Gesellschaft scheinen mir unentschieden, sie machen nichts Halbes und nichts Ganzes.
    Ich traf junge Libanesen in meinem Alter, die in dieser ganzen Politik völlig den Überblick verloren hatten, offenbar weil sie von Kindheit an mit der Vorstellung geimpft wurden, dass es wichtig sei, welcher Partei oder Gruppierung jemand angehört. Als ob das einen Menschen ausmachen würde, als ob das die entscheidende Frage für die Zukunft eines Landes wäre. Hisbollah-Anhänger, Anhänger einer anderen Partei oder Christ – für mich ist jeder Libanese erst mal Libanese. Meine Eltern, die aus dem Krieg geflüchtet waren, legten großen Wert darauf, dass wir Kinder so denken. Das finde ich richtig. So bekommen Hass und Intoleranz keine Chance.

Deutsch sein
    Ich bin Rola, die deutsch ist. Schon die erste Reise in den Libanon hat mir gezeigt: Ich bin deutsch. Und wie. Meinem Vater war es immer wichtig gewesen, dass in den Zeitungen »die deutsche Boxerin« stand, und damit hatte er recht. Ich denke in der deutschen Sprache, träume deutsch – alles, was ich mache, ist deutsch.
    Okay, mein Leibgericht sind gefüllte Zucchini mit Hackfleisch, ein libanesisches Gericht. Und Kibbeh, die gefüllten Buchweizenklößchen. Gut, wir sprechen zu Hause manchmal libanesisches Arabisch, aber eben nur zu Hause und auch nicht immer. Es fällt mir schwer, Arabisch zu sprechen, wenn mal unvermittelt Verwandte anrufen und ich sofort umschalten muss. Eigentlich muss ich erst vom Deutschen ins Arabische übersetzen, weil Arabisch nicht meine Muttersprache ist. Meine Muttersprache ist Deutsch. Ich kann nicht einmal Arabisch schreiben und lesen.
    Meine Heimat ist Deutschland, und Ulm ist mein Zuhause. Es ist nie anders gewesen. Meine Mutter und ganz besonders mein Vater haben immer darauf geachtet, dass wir nicht als »die Libanesen« bezeichnet wurden, dass wir integriert waren und nicht nur gut Deutsch sprachen, sondern uns in allem an die deutsche Kultur und Lebensweise anpassten. Wenn wir hier leben, dann richtig, das war die Entscheidung meiner Eltern. Wir, als ganze Familie, sind Deutsch-Libanesen. Wir haben nicht nur arabische Freunde, bewegen uns nicht nur in der arabischen Gemeinde. Wir grenzen uns nicht ab, sondern sind mit dabei, mitten in Deutschland, mitten in Ulm, so wie alle anderen Ulmer auch, egal, ob Schwabe, Türke, Araber oder Grieche. Wir sind alle Ulmer.
    Jetzt werde ich, Rola, die deutsch ist, vielleicht auch ein wenig Griechin. Nach der Hochzeit werde ich einen griechischen Nachnamen haben und vermutlich auch besser Griechisch lernen. Das ist schwer, aber es ist wichtig, gerade für den Fall, dass wir auch mal zusammen in Griechenland sind.
    Meinen Namen, Rola, gibt es schließlich auch in Griechenland. Eigentlich, so ganz eigentlich, spricht man ihn im Libanon Rruula aus, mit rollendem r und einem ganz weichen, tiefen u. So sprechen ihn auch die Griechen aus. In lateinischen Buchstaben wird er aber mit o geschrieben, und daher bin ich Rola.
    Ich bin Rola, die so deutsch ist, dass ich sogar meinen arabischen Namen deutsch ausspreche.

Hoda El-Halabi
    Für meine Mama war die Integration schwerer als für uns Mädchen. Sie war ja fast immer zu Hause, ging eigentlich nur zum Einkaufen aus dem Haus, und das auch nur ein oder zwei Mal pro Woche. Die einzigen zwei engeren Freundinnen, die sie hatte, waren Libanesinnen. Sie gingen aber eigentlich nie zusammen aus, sondern besuchten sich gegenseitig in ihren Wohnungen. Meine Mutter sprach in den ersten Jahren fast nur Arabisch mit uns Kindern, weil sie selbst nicht gut Deutsch sprach. Inzwischen hat sich ihr Deutsch verbessert, und wir sprechen auch untereinander Deutsch. Besonders wenn ich gestresst bin, rede ich mit ihr Deutsch. Sie weiß dann auch

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