Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
Sie hatte ja kaum eine andere Wahl, als mit sich machen zu lassen, was passierte. Natürlich war sie lange Zeit ein unsicherer, verängstigter Mensch. Sie hatte vor allem und jedem Angst, und das nehme ich ihr nicht übel. Es ist nur schade, dass sie dadurch in ihrem Leben sehr viel verpasst hat. Meine Mutter hat ihr Leben in einem Käfig verbracht, eingeschlossen in den vier Wänden unserer Wohnung, in ihrer Beziehung, in ihrem Leben, aber sie gesteht sich das selbst nicht ein. Daher versucht sie auch nicht, etwas daran zu ändern. Lange ging es mir genauso, daher kann ich verstehen, wie es so kommen konnte. Dennoch finde ich es schade – weil es möglich ist, es anders zu machen. Ich habe allerdings auch einige Zeit gebraucht, um das zu verstehen.
Feminin sein
Ich bin Rola, die feminin ist. Oh ja. Das mag jetzt für manchen eine Überraschung sein, aber ich sage: Weiblichkeit ist schön, und sie ist wichtig. Ich finde, jede Frau sollte ihre weibliche Seite haben und diese auch zeigen. Zeigen dürfen und zeigen können, das gehört ebenfalls dazu. Jede Frau hat ihre eigene Art und Weise, feminin zu sein.
Damit meine ich nicht modischen Firlefanz oder Tipptopp-Styling. Das ist nur eine Art, und das ist nicht meine Art. Ich habe meine eigene Femininität. Die Art, wie ich mit einem einzigen Griff meine Haare hochbinde. Die Kleidung, die ich wähle – nicht zu sportlich, aber auch nicht zu elegant. Mein freundliches Lächeln. Die offene, herzliche Art, mit der ich auf Menschen zugehe. Mich extrem freizügig zu kleiden gehört nicht dazu. Das finde ich unpassend; noch so ein Erbe aus meiner libanesischen Erziehung. Andererseits wird es in keiner Kultur geschätzt, wenn Frauen nur ultrakurze Röcke tragen und alle zwei Wochen einen neuen Freund mit nach Hause bringen. Ich finde, dass sich auch ein junges Mädchen schon wie eine Dame benehmen kann und soll. Eine Frau ist etwas Besonderes, und sie wird auch mehr wertgeschätzt, wenn sie nicht alles mitmacht, nicht für alles und jeden zu haben ist, sich selbst als wertvoll empfindet.
Ich würde mich selbst als eine starke Frau bezeichnen, das schon. Früher hätte ich aber jede Frau, die in einem Beruf tätig ist, der nicht vermeintlich »typisch Frau« ist, als starke Frau bezeichnet. Heute sehe ich das anders. Eine solche Frau ist eine starke Persönlichkeit. Starke Frauen sind für mich Frauen, die ganz allgemein ein schweres Leben haben, nicht nur im Beruf, auch im Privaten. Ein harter Job allein macht noch keine starke Frau. Es ist nicht unbedingt Stärke, als Managerin einer Firma herumzulaufen und zu behaupten, man sei eine starke Frau, weil man in eine Männerdomäne vorgedrungen ist.
Leider kenne ich noch viel zu wenige Frauen, die in meinen Augen wirklich stark sind. Aber es werden immer mehr, und das finde ich gut. Manchmal wird die »Frauenpower« aber auch etwas übertrieben oder übertrieben dargestellt. Ja, wir werden immer stärker, und wir müssen noch viel Frauenpower einsetzen, um die Gleichberechtigung zu bekommen, die uns zusteht. Im Leben, im Job, in Partnerschaften. Gleichberechtigung ist wichtig.
Aber wir dürfen bei der ganzen Power die Weiblichkeit nicht vergessen. Die klassische Frau. Die trotz ihrer ganzen Power auch den Mann den Familienvorstand sein lassen kann – ohne dass sie dadurch ihre Gleichberechtigung aufgibt. Das gehört für mich auch zur Weiblichkeit.
Dieser Kosta von Facebook
An den Tag, an dem ich Kosta das erste Mal sah, kann ich mich nicht einmal erinnern. Wir waren Trainingskollegen im Mekong Box Gym, er bei den Freefightern, ich bei den Boxern, also in verschiedenen Gruppen. Wir werden uns wohl das eine oder andere Mal über den Weg gelaufen sein, aber miteinander zu tun hatten wir nichts.
Eines Tages fragte er mich, ob ich ihm nicht ein paar Autogrammkarten geben könnte. Er hatte ein Café in der Stadt, und die Gäste hatten ihn immer wieder auf mich angesprochen. Sie wussten, dass Kosta im selben Gym trainierte, und wollten so gerne Autogramme. Ich gab ihm also ein paar Karten, das war keine große Sache für mich. Wenn wir uns seitdem im Gym begegneten, alle paar Wochen vielleicht, grüßten wir uns und mehr auch nicht. Ich hatte sogar seinen Namen wieder vergessen und dass wir Facebook-Freunde geworden waren. Ich habe ziemlich viele Facebook-Freunde.
Eines Abends im Frühjahr 2010 ging ich mit meiner Mutter und meiner Schwester dann in einem Restaurant eines griechischen Bekannten essen. Nach dem Essen
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