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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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dein Glück, daß du ihr den blauen Stein nachgeworfen hast, sonst wärst du nie von ihr losgekommen.«
    Sie zog ihr Maul noch breiter, als es ohnehin schon war, und blubberte mit den Lippen (so pflegen Kröten zu kichern). »Mitten auf ihre Stirn ist er geknallt, und jetzt hat sie eine Beule, groß wie ein Hühnerei und blau wie ihr Klunkerstein.«
    »Woher weißt du das?« fragte Lauscher.
    »Im Wald spricht sich so etwas rasch herum«, sagte die Kröte, »besonders eine so erfreuliche Nachricht, daß ihr einer entkommen ist. Das geschieht selten genug. Es wird den Leuten Mut machen.«
    »Welchen Leuten?« fragte Lauscher.
    »All den Leuten, von denen sie meint, sie gehörten ihr. Du hast ihre hochmütige Stirn gezeichnet, und das hat ihre Macht ein bißchen angeknackst. Das wird sie dir nie verzeihen.«
    Lauscher bekam Angst. »Kann sie mir hier noch schaden?« fragte er.
    »Sie nicht«, sagte die Kröte. »Du bist schon jenseits der Grenze ihrer Macht. Aber ihre Knechte könnte sie schon auf deine Spur setzen. Du solltest morgen in aller Frühe weiterreiten. Wohin willst du überhaupt?«
    »Ich suche den Sanften Flöter«, sagte Lauscher. »Kannst du mir sagen, wo ich ihn finde?«
    Die Kröte blickte ihn nachdenklich mit ihren schönen Augen an. »Weit im Westen«, sagte sie schließlich. »Aber es wird vor allem darauf ankommen, ob er sich finden lassen will. Warum suchst du ihn?«
    »Ich bin sein Enkel«, sagte Lauscher. »Und außerdem soll ich ihm Grüße von Arni mit dem Stein bringen.«
    »Mit großen Leuten hast du zu tun«, sagte die Kröte. »Man sagt, Arni sei tot. Stimmt das?«
    »Ja«, sagte Lauscher. »Ich war bei ihm, als er starb. Und vorher gab er mir seinen Stein.« Er kramte den Augenstein aus dem Beutel und zeigte ihn der Kröte.
    Obwohl es Nacht war, leuchtete der Stein in Lauschers Hand und zeigte sein Farbenspiel, das sich in den Augen der Kröte spiegelte. Lange schaute sie voller Bewunderung auf den strahlenden Augenstein. »Und das wolltest du gegen das kalte blaue Ding der Herrin von Barleboog eintauschen, du Dummkopf?« sagte sie schließlich.
    »Ich dachte, ich wäre schon am Ziel«, sagte Lauscher kleinlaut.
    »Was bist du doch für ein ungeduldiger Bursche!« sagte die Kröte. »Weißt du nicht, daß dies noch lange nicht alles ist?«
    »Ich hatte es vergessen«, sagte Lauscher.
    »Vergiß es nie wieder!« sagte die Kröte. »Und morgen reite weiter, immer den Bach abwärts. Am siebenten Tag wirst du an das Ende des Waldes kommen, und dort kannst du den Sanften Flöter finden – das heißt, wenn er dich überhaupt sehen will. Aber sieh dich vor: Es schleicht etwas durch den Wald. Ob es gut für dich ist oder böse, wirst du selber herausfinden müssen. Ich sage dir das auch nur zum Dank dafür, daß du mir den Stein gezeigt hast. Solange du den bei dir trägst, wirst du nicht ohne Trost sein. Gute Reise.«
    Lauscher steckte den Stein in den Beutel zurück und sah noch, wie die Kröte schwerfällig ins Gebüsch kroch. Dann fielen ihm die Augen zu, und er wachte erst wieder auf, als ihn ein Sonnenstrahl auf der Nase kitzelte. Er schlug die Augen auf, und das erste, was er sah, war der leere Halfterriemen, der über ihm von einem Ast herunterbaumelte. Seine Vorräte waren verschwunden. Er sprang auf und sah sich die Riemen an. Das konnte kein Tier gewesen sein. Da war nichts zerbissen oder angenagt, sondern jemand hatte säuberlich die Schnalle geöffnet. Ein Mensch hatte ihn bestohlen.
    Lauscher fiel die Warnung der Kröte ein. Es war also ein Mensch, der durch den Wald schlich und ihm sein Frühstück gestohlen hatte. Er lauschte, aber ringsum war nichts zu hören als die Stimmen der Vögel und das Plätschern des Baches. Dennoch wurde es ihm unheimlich. Er sattelte hastig sein Pferd, saß auf und ritt so rasch er konnte bachabwärts.
    So rasch er konnte – das war nicht viel schneller als im Schritt. Den Bach entlang wucherte dichtes Unterholz, es gab sumpfige Stellen, denen er ausweichen mußte, und schließlich begann sich der Bachlauf zwischen steilen Ufern abzusenken. Lauscher mußte wieder absteigen, denn an dem schlüpfrigen Hang glitt sein Pferd immer wieder aus.
    So war er drei Tage lang unterwegs, pflückte im Gehen ein paar Beeren und briet sich zum Abendessen Pilze, die er unter den Büschen fand. Jetzt tat es ihm leid, daß er seinen Jagdbogen bei dem getöteten Hirsch liegengelassen hatte; denn von Zeit zu Zeit scheuchte das stolpernde Pferd einen Hasen oder auch ein

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