Stein und Flöte
zurückzubringen?«
»Nein, Herr«, sagte die Frau. »Das hat er nicht gesagt.«
»Was denn sonst?« fragte Rulosch.
»Ich hoffe, du nimmst es ihm nicht übel«, sagte die Frau. »Er hat mir versprochen, dich, deine Männer und auch meinen eigenen Mann zur Vernunft zu bringen.«
Rulosch schaute sie verblüfft an. Dann glitt sein Blick hinüber zum Sanften Flöter, der gleichmütig neben ihm stand, als ginge ihn das Ganze überhaupt nichts an. Da schlug ihm Rulosch auf die Schulter und fing lauthals an zu lachen. »Das hat er freilich geschafft!« rief er. Dann wurde er wieder ernst und fügte hinzu: »Aber frei ist dein Mann trotzdem noch nicht. Wir werden jetzt in meine Stube gehen und noch einmal Gericht über ihn halten.«
Da senkte die Frau den Kopf und sagte: »Das muß wohl auch so sein; denn Barnulf hat einem von euch Unrecht getan. Erlaubst du mir, meinen Mann zu der Verhandlung zu begleiten?«
»Das mußt du sogar«, sagte Rulosch. »Du brauchst zwar nichts auszusagen, was deinen Mann belasten würde, aber es könnte sein, daß du mir dennoch helfen kannst, diese Sache richtig zu beurteilen.«
»Das will ich gern versuchen«, sagte die Frau. »Fürs erste scheint mir, solltest du Barnulf etwas zu essen geben; denn er hat heute noch nicht einmal gefrühstückt. Außerdem wird ein satter Mann nicht so leicht zornig.«
»Du bist eine kluge Frau«, sagte Rulosch lachend. »Komm jetzt, damit dein Mann endlich sein Frühstück kriegt.«
In seinem Haus führte Rulosch alle, die mit ihm gekommen waren, nicht in die Gerichtsstube, sondern in einen Raum, der dieser gegenüberlag. Hier brodelte auf einer Feuerstelle ein Kessel mit Fischsuppe, deren Dampf den Eintretenden wie eine warme, duftende Woge entgegenschlug. »Ich denke, wir sollten uns nach diesem Weg erst einmal stärken«, sagte Rulosch und forderte alle auf, an einem großen runden Holztisch Platz zu nehmen. Eine Magd schöpfte aus dem Kessel und brachte jedem eine gedrechselte Holzschüssel voll, schnitt dann einen mühlsteingroßen Brotlaib auf, legte die Scheiben in einen flachen Korb und stellte ihn mitten auf den Tisch, daß jeder bequem zulangen konnte.
»Nun laßt es euch schmecken!« sagte Rulosch. »Keiner von uns soll zornig in diese Verhandlung gehen.«
Sie löffelten schweigend ihre Suppe, brachen das Brot und wischten zum Schluß noch ihre Näpfe damit aus, woraus man schließen konnte, daß ihnen die Suppe geschmeckt hatte. Auch Barnulfs Frau, die ja nicht lange Zeit zuvor schon einmal die Gastfreundschaft der Fischer genossen hatte, hatte noch einmal zugelangt, als käme es hier darauf an, daß jeder an diesem gemeinsamen Mahl teilnahm. Als dann der letzte den Löffel aus der Hand legte, stand Rulosch auf und sagte: »Ich hoffe, ihr seid alle satt geworden. Wenn’s euch recht ist, dann wollen wir jetzt hinüber in die Stube gehen und den Fall zu Ende bringen.«
Da schoben alle ihre Stühle zurück, standen auf und folgten ihm durch den Vorraum hinüber in die Gerichtsstube. Rulosch rückte für den Sanften Flöter einen Sessel neben den seinen, und alle anderen nahmen wieder die Plätze ein, auf denen sie am Morgen schon einmal gesessen hatten; auch die beiden, die Barnulf bewacht hatten, suchten sich jetzt einen freien Hocker. Nur Barnulfs Frau blieb neben ihrem Mann stehen.
»Du kannst dich auch zu uns an den Tisch setzen«, sagte Rulosch. »Du bist hier ja nicht angeklagt.«
»Ich möchte lieber neben meinem Mann stehen«, sagte die Frau.
»Dagegen ist nichts einzuwenden«, sagte Rulosch. »Du scheinst mir eine Frau zu sein, die genau weiß, was sie will. Dabei weiß ich noch nicht einmal, wie du heißt, und ich will mir nicht noch einmal vorwerfen lassen, die Namen der Leute nicht zu kennen, die vor meinem Richtertisch stehen. Willst du mir deinen Namen sagen?«
»Ich heiße Eiren«, sagte die Frau.
»Ein schöner Name«, sagte Rulosch. »Ich wüßte gerne, warum Leute wie ihr durch die Lande ziehen und davon leben, daß sie beispielsweise Fischern die Reusen ausrauben. Kannst du mir sagen, Barnulf, wie es dazu gekommen ist?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Barnulf, »aber ich werde sie wohl erzählen müssen, damit du begreifst, daß nicht jeder so ruhig und wohlversorgt in seinem Hause sitzen kann wie ihr.«
Als er das sagte, legte ihm seine Frau die Hand auf die Schulter, um ihn zur Besonnenheit zu mahnen. Er blickte sie lächelnd an und sagte: »Schon gut. Ich werde mich nicht aufregen, sondern nur unsere
Weitere Kostenlose Bücher