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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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es schon verwunderlich, daß ein Khan der Beutereiter um Frieden bittet. Akka lud ihn und seine Begleiter jedenfalls in ihr Haus ein und sprach lange mit ihnen. Was da im einzelnen geredet wurde, kann ich dir nicht sagen; ich weiß nur, daß sich draußen vor dem Haus bald die gesamte Bevölkerung von Arziak versammelt hatte und darauf wartete, was bei diesem Gespräch herauskommen würde.
    Schließlich traten die beiden vor die Tür, und der Pferdeknecht, der mir das alles erzählt hat, sagte, man habe ihnen schon in diesem Augenblick ansehen können, daß sie wie Freunde miteinander umgingen. Manchen Leuten habe das nicht gefallen, und sie hätten gerufen, ob Akka schon vergessen habe, auf welche Weise ihr Mann zu Tode gekommen sei, doch Akka habe ihnen Schweigen geboten und gesagt, sie habe Belarni schon als Kind gekannt, da er sich mehr zu ihrem Vater Arni als zu seinem Ziehvater Hunli gehalten habe. Deshalb habe sie Vertrauen zu ihm und bitte jetzt alle hier Versammelten, sich in Ruhe anzuhören, was Khan Belarni zu sagen habe.
    Daraufhin ist dann Belarni vorgetreten und hat eine Rede gehalten, von der damals so viel gesprochen worden ist, daß ich sie auswendig hersagen kann, obwohl ich sie selbst gar nicht gehört habe. ›Ihr Leute von Arziak‹, hat er gesagt, ›ihr wundert euch, daß ein Khan der Beutereiter hier freundschaftlich neben Akka, eurer Erzmeisterin, steht und um Frieden bittet. Ich kann gut verstehen, daß ihr mißtrauisch seid, denn es sind schon einmal Leute von unserem Stamm zu euch gekommen, nachdem sie sich die Zöpfe abgeschnitten hatten, und haben sich als friedliche Nachbarn und Handelspartner angeboten, doch ihr habt später entdecken müssen, daß sie nur auf eine andere Art Macht über euch ausüben wollten. Sie haben sich zwar nach meinem Onkel Arni genannt, aber da war Arni schon tot und konnte ihnen nicht mehr sagen, daß sie seine Gedanken und Worte mißbrauchten. Als die Horde dann in Not geriet, hat Narzia unsere Abgesandten gedemütigt und versucht, ihre Herrschaft auch noch über die Steppe auszudehnen. Ich habe eines daraus gelernt: Wer einmal vom Geschmack dieser Macht gekostet hat, der will immer mehr und mehr und kann nicht ruhen, solange es noch etwas gibt, das seiner Macht nicht unterworfen ist. Da aber Menschen in Freiheit leben wollen, fordert er damit zugleich den Zorn aller heraus, die sich diesem Joch nicht beugen wollen, und dieser Zorn wuchs in der Horde von Tag zu Tag wie ein unterirdischer Brand, der dann eines Tages auf entsetzliche Weise ausbrach. Ihr wißt, wovon ich rede, und ich weiß es auch, denn ich mußte mit der Horde reiten, obwohl ich lieber zu Hause geblieben wäre. Aber ich habe von Arni gelernt, daß es keinem hilft, wenn man unter solchen Umständen die Augen abwendet und so tut, als ginge einen das alles nichts an.
    Als dann die Häuser von Arnis Leuten brannten und ihre Bewohner, ob sie an alledem schuldig waren oder nicht, allesamt erschlagen in den Gassen lagen, überkam dieser Gestank von Rauch und Blut die Horde wie ein Rausch und trieb sie weiter über die Berge hierher. Viele hielten euch für Freunde von Arnis Leuten, die man gleichfalls strafen müsse, und es nützte wenig, ihnen das Gegenteil zu beteuern. In einem solchen Taumel von Rachsucht und Mord hört keiner mehr auf vernünftige Worte. Mir graute bei diesem Ritt über die Berge, und ich weiß nicht, ob einer außer mir das Grabmal sah, das ihr für jene Reiter errichtet habt, die vor Jahren dort oben im Schneesturm gestorben sind, nachdem sie euer Tal überfallen hatten.
    Ihr wißt, was seither geschehen ist: Hunlis beide Söhne wurden im Kampf erschlagen und mit ihnen so viele Reiter, daß ich daran zweifle, ob sich die Horde je wieder von diesem Schlag erholen kann, und auch bei euch sind viele Männer ums Leben gekommen, allen voran euer Erzmeister Promezzo. Die Ältesten der Horde wollten es mir deshalb ausreden, zu euch zu reiten, weil sie um mein Leben fürchteten, aber ich setzte meine Hoffnung darauf, daß Promezzos Witwe Akka eine Tochter Arnis ist, der nicht ein Mann der Rache, sondern des Friedens war.
    Ich will euch nun sagen, worüber wir gesprochen haben. Es hat sich gezeigt, daß jene auf einem falschen Weg waren, die im Namen Arnis ihre Zöpfe und Waffen ablegten, aber weiterhin nur auf ihr eigenes Wohl bedacht waren und darauf, wie sie andere unterjochen könnten. Akka und ich sind beide zu der Erkenntnis gekommen, daß sich dies nur dann wird verhindern

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