Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
Vom Netzwerk:
Wiesenland, und gegen Abend mündete ihr Pfad in einen Karrenweg, dem sie weiter folgten. Drei Tage ritten sie so durch das Land. Inzwischen war der Karrenweg nach und nach zu einer festen Straße geworden, und diese führte gelegentlich durch einen Weiler, in dem sie ein Nachtlager fanden. Hie und da begegnete ihnen ein Fuhrwerk, oder sie überholten einen Bauern, der mit seinem Ochsengespann zur Feldarbeit ging.
    Am dritten Tage sahen sie vor sich einen merkwürdigen Reiter. Erst schien ihnen, als säße ein Junge auf dem Maultier, das in gleicher Richtung wie sie die Straße entlang trottete. Der kleine Reiter hing eher auf dem Tier als daß er saß und schien ein unförmiges Bündel auf dem Rücken zu tragen, das er wohl besser hinter sich auf den Sattel geschnallt hätte. Als sie näher kamen, erkannte Lauscher den Maultierreiter an seinem feuerroten Haarschopf. »Trill!« rief er und spornte seinen Esel an, bis er auf gleicher Höhe mit dem Spaßmacher war.
    Trill zügelte sein Maultier, starrte Lauscher mit gespieltem Schrecken an und sagte: »Da hatte dieser bärtige Bursche doch recht!«
    »Was für ein Bursche?« fragte Lauscher verwirrt. »Und womit soll er recht gehabt haben?«
    »Daß hier irgendwo ein heimtückischer stummer Flöter mit einem jungen Tagedieb durch die Gegend reiten soll. Ich hätte nie gedacht, daß man einem dieser Wolfspelze trauen kann.« Und dann lachte er laut heraus über das dumme Gesicht, das Lauscher machte. »Wenn man dich so ansieht, sollte man nicht glauben, daß es der Mühe wert ist, wenn Gisa ihre zottigen Knechte wegen euch durch die Lande hetzt. Erst gestern ist mir einer von ihnen über den Weg gelaufen und hat mich vor euch gewarnt. Ihr seid berühmte Leute, wußtest du das nicht?«
    »Du hast leicht lachen«, sagte Lauscher. »Vor drei Tagen hat diese Berühmtheit uns beinahe das Leben gekostet.«
    Inzwischen ritten auch Barlo und Lagosch heran, und als sie ihre Pferde anhielten, zog Trill schnüffelnd die Nase kraus und sagte:
    »Nach Draglop reitet ein Stummer
    und mit ihm ein Esel, ein dummer,
    der dritte im Bund
    ist auch nicht gesund:
    er stinkt wie ein fauler Hummer!
    Ist das die ganze Streitmacht, die ihr aufgetrieben habt?«
    »Durchaus nicht, du Spottdrossel«, sagte Lagosch. »Nur reisen die anderen zu Wasser: eine ganze Schar lustiger Seejungfrauen, die den lieben langen Tag lang lachen, und allen voran ihr Gebieter, der gewaltige grüne Wassermann. Aber ich warne dich, Trill: Man erzählt von ihm, er habe einmal einen rothaarigen, buckligen Zwerg den Seekrebsen zum Fraß vorgeworfen, weil dieser sich die Nase zuhielt vor dem Fischgeruch, der Wassermännern nun einmal anhängt. Sieh dich also vor!«
    Trill lachte und sagte: »Ich sehe schon: Ihr habt den richtigen Mann gefunden, wenn man auch schon von weitem riechen kann, woher er kommt.«
    »Nicht nur den«, sagte Lauscher und berichtete, während sie weiterritten, wen sie alles in der Silbernen Harfe zu treffen hofften. Vier Tage waren sie noch zusammen unterwegs, und dann lag Draglop wieder vor ihnen. Wie im Jahr zuvor mußten sie sich auf ihren Reittieren durch das Gewühl der Marktgänger drängen, doch diesmal ritten sie geradewegs zur Silbernen Harfe. Als sie eintraten, war die Gaststube zum Bersten voll der merkwürdigsten Gestalten. Da saßen Possenreißer in ihren buntfetzigen Kleidern; Jongleure und Schlangenmenschen übten ihre Kunststücke; Fiedler, Flöter, Harfenspieler und noch allerlei andere Musiker probierten ihre Instrumente aus, das dudelte, fiedelte und klimperte durcheinander, daß man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Der lange Barlo blieb in der Türe stehen und blickte sich suchend um. Dann wies er in die Ecke, in der sie schon vor einem Jahr gesessen hatten, und bahnte sich einen Weg durch das Gedränge. Die anderen drei folgten ihm bis zu dem Tisch, an dem Rauli der Sänger und Gurlo der Märchenerzähler saßen und bei ihnen auch schon Krautfaß und Lauro der Steinsucher.
    »Da seid ihr ja endlich«, sagte Rauli. »Wir sind schon dabei, einen Plan zu entwerfen. Setzt euch und spült euch den Reisestaub aus der Kehle!« Er schenkte ihnen Rotwein in die Becher, die schon bereitstanden, und Lauscher machte ihn mit Lagosch bekannt.
    »Ein Fischer, wie ich rieche«, sagte Rauli. »Das trifft sich gut, denn die meisten von uns werden am Fluß entlang nach Barleboog ziehen. Da können wir jemanden brauchen, der mit Kähnen umzugehen weiß.« Er war offenbar eben im Begriff

Weitere Kostenlose Bücher