Steine der Macht - Band 5
Scheiterhaufen. In der Folge kam es beinahe zu einem Bettleraufstand, welcher in einer Unzahl von Prozessen um den sogenannten ‚Zauberer Jackl‘ endete. Zahlreiche Jugendliche scharten sich um einen ebenfalls jungen Mann, welcher Jakob hieß und in den Augen des Bischofs ein Zauberer sein musste, da er seiner nie habhaft werden konnte. In seiner Wut ließ er daraufhin unbarmherzige Jagd auf die Bettelkinder machen. Über hundertdreißig, überwiegend Jugendliche und Kinder, kamen so innerhalb eines Zeitraumes von nur sechseinhalb Jahren unter der Herrschaft des Erzbischofs Max Gandolf von Kuenburg ums Leben. Aber vor dem Volk ließ er sich als mildtätiger Mann Gottes bezeichnen, indem er die Strafen der Verurteilten zuweilen ‚abmilderte‘, wobei er manche der Kinder gnadenhalber erdrosseln oder enthaupten ließ, bevor ihre Körper verbrannt wurden.
Auch die Vertreibung der Protestanten aus unserem Land wurde von diesem Bischof angeordnet. Er wollte einen reinen Katholikenstaat haben, frei von Andersdenkenden. Die Kinder der Ausgewiesenen wurden den Eltern weggenommen und ihr halbes Vermögen vom Bischof einbehalten. Versuchte ein Vater, sein Kind heimlich außer Landes zu bringen, so endete er als Galeerensträfling in Venedig. Erst nachdem damals der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg einschritt und den Bischof in die Schranken wies, wurde den Kindern die Ausreise zu ihren Eltern ermöglicht.“
„Das ist ja grauenvoll, was du da erzählst. Von so einem Verbrecher sollte eigentlich in den Geschichtsbüchern höchstens als Abschreckung berichtet werden“, sagte Claudia.
„Ja, du hast Recht“, erwiderte Wolf, „aber die Unterwürfigkeit gegenüber der Kirche ging und geht sogar so weit, dass man bis heute noch den Namen dieses Bischofs auf Straßenschildern in vielen Orten unseres Landes findet. Schließlich hatte der Erzbischof ja auch sehr viele schöne Bauten errichten lassen, die heute noch Bewunderung finden, welche aber in Wirklichkeit mit dem Blut und den Tränen seiner Untertanen erbaut wurden.“
„Nur wegen dieser von ihm in Auftrag gegebenen Kirchen sollten seine Schandtaten verschwiegen und er in ein besseres Licht gerückt werden? So etwas kann es doch nicht geben“, sagte Peter, der Architekt, mit einem Kopfschütteln.
„Stellt euch vor“, antwortete Herbert, „in Salzburg oder Berchtesgaden gäbe es heute Straßen oder Plätze, die nach Kriegsverbrechern benannt wären! Einfach unvorstellbar!“
Wolf nickte: „Das ist ja auch etwas ganz anderes, zumindest wird das von vielen so gesehen. Ich habe kürzlich hier am Waldrand eine Frau und einen älteren Mann, vermutlich waren es Lehrer, mit einer Kinderschar getroffen. Sie meinten zu den Vorwürfen gegen Max Gandolf nur, dass der Bischof schließlich ein Christ gewesen sei. Aber waren das nicht auch viele andere, deren Namen man heute besser nicht mehr aussprechen sollte?
Zurzeit ist es aber in Österreich und vielleicht auch schon in Deutschland opportun, Hunderte von Straßennamen umbenennen zu wollen. Da hört man auf einmal, dass die Namen von bedeutenden Politikern und auch Wirtschaftstreibenden der Nachkriegsepoche, welchen man nachweisen konnte, dass sie sich während der Nazizeit antisemitisch oder ausbeuterisch betätigt haben, nichts auf Straßenschildern verloren haben.“
Elisabeth meinte: „Aber den erzbischöflichen Kindermörder hofiert man weiterhin, nicht wahr?“
„Leider ist das so, aber irgendjemand muss da großes Interesse daran haben, dass es so bleibt.“
Dann erzählte er weiter:
„Dieser Max Gandolf von Kuenburg hat sogar eine eigene Grabstelle in der Krypta des Salzburger Doms erhalten und seine Innereien befinden sich in der von ihm erbauten Kirche Maria Plain nahe Salzburg. Kurz vor seinem Tode wurde er sogar noch vom Papst zum Kardinal ernannt.
Freilich war dieser Erzbischof nur ein kleines Rädchen in den Annalen der Hexenverfolgungen. Aber in seiner Amtszeit gelangte er zumindest hier im Land Salzburg mit seinen Gräueltaten zu trauriger Berühmtheit, über welche aber heutzutage interessanterweise nur noch spärlich und am Rande berichtet wird.
Nur zu eurer Information: Die Inquisition der römisch-katholischen Kirche forderte zwischen dem dreizehnten und dem achtzehnten Jahrhundert allein in Europa mindestens eine Million Todesopfer.
Diese Zahl ist aber umso schwerwiegender, als es zu dieser Zeit in ganz Europa ohnehin nur durchschnittlich achtzig Millionen Einwohner
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