Steine der Macht (German Edition)
er schon vor Wochen telefonisch einen neutralen Wagen bestellt, wenn möglich mit einem Kennzeichen von Unterägypten. Das würde die Posten an den Checkpoints etwas verwirren und sie würden in so einem Fall eher glauben, dass Wolf und Linda sogenannte „Residents“, also in Ägypten Ansässige, seien, als dass sie auf den Gedanken kämen, das wären Touristen.
Wolf und Linda waren schon seit ihrer ersten Ägyptenreise vor vielen Jahren vom Tempel der Pharaonin -Hatschepsut, der „Herrin beider Länder“, wie sie auch genannt wurde, fasziniert. Noch mehr aber beeindruckte die beiden die Person der Königin selbst. Diese große Frau am Thron der Pharaonen hatte einige Expeditionen in das sagenumwobene Land „Punt“ gesandt. Laut Überlieferungen sollte es im heutigen Somalia gelegen haben. Um dorthin zu gelangen, ließ Hatschepsut Schiffe am Nil bauen, welche dann, in mehreren Teilen zerlegt, durch die Felswüste bis ans Rote Meer transportiert wurden. Dort baute man die Schiffe wieder zusammen und fuhr an der Küste entlang, weit hinunter nach Süden. Inschriften und Reliefs im Totentempel der Hatschepsut in Luxor besagten, dass damals mehr als viertausend Leute für eine solche Expedition unterwegs waren.
Diese Geschichten bewogen Wolf schon vor Jahren, auf den Spuren der Pharaonin Hatschepsut den Weg zu suchen, welchen diese Leute damals durch die Berge genommen hatten.
K apitel VI – Der Gazelleneintopf
Zwei asphaltierte Straßen schlängelten sich nun vom Nil bis ans Rote Meer, doch dieser Route, die heute mit einem Fahrzeug in wenigen Stunden befahren werden konnte, waren die Ägypter zur Pharaonenzeit sicherlich nicht gefolgt. Für diesen mehr als 250 Kilometer langen Weg hatten die Menschen zur damaligen Zeit bestimmt länger als eine Woche gebraucht. Zur Durchquerung dieser Felswüste war aber Wasser notwendig und das war nur an wenigen Stellen in den Bergen zu finden. Dafür wurde ein wesentlich längerer Weg in Kauf genommen, an dem sich jedoch im Abstand von Tagesreisen Brunnen befanden.
Diesen Weg versuchte Wolf zu finden, denn darüber war sehr wenig bekannt und in den ägyptologischen Nachschlagwerken fanden sich nur spärliche Hinweise auf mögliche Routen.
An der Küste des Roten Meeres, in der Nähe der kleinen Hafenstadt Quseir, hatte er bereits Ruinen aus der pharaonischen Zeit entdeckt. Sogar bis zu fünfzig Kilometer landeinwärts, in den Bergen am Rande eines Wadis, eines trockenen Flusslaufes, waren Reste von Bauten und Keramikscherben aus der damaligen Zeit zu finden.
Wolf dachte an eine Fahrt im vergangenen Jahr mit einem Landrover, welchen er samt einem nubischen Fahrer mit Namen Mohammed gemietet hatte. Mittels vom Computer ausgedruckter Satellitenkarten und GPS suchte er einen möglichen Verlauf des Weges der pharaonischen Expeditionen und dirigierte den Fahrer des Geländewagens über unwegsames Gelände tief ins Innere der Ostwüste Ägyptens. Einige Male mussten sie am Ende eines vermeintlichen Wadis umkehren, da hohe Felsen den Weg versperrten. Nach einem halben Tag Fahrt trafen sie auf eine in den offiziellen Landkarten nicht eingezeichnete Eisenbahnlinie, welche erst in den letzten Jahrzehnten erbaut worden sein durfte. Sie diente ausschließlich dem Transport von Phosphat, welches an vielen Orten in Ägypten abgebaut wurde. Dieser Schienenstrang führte von den Oasen westlich des Nils über eintausend Kilometer direkt an das Rote Meer zu den Verladehäfen. Der Fahrer wollte der Eisenbahnlinie folgen und lenkte den Wagen der Einfachheit halber auf den hohen Bahndamm hinauf. Dort fuhr er auf den Schwellen dahin, bis die Schienen nach einigen Kilometern plötzlich in eine sehr enge Schlucht einbogen.
Ein mulmiges Gefühl überkam Wolf. Sollte ein Zug zwischen den Felswänden entgegenkommen, so gab es nur die Möglichkeit das Fahrzeug so rasch als möglich über den steilen, zehn Meter hohen Damm hinunterzulenken. Was das bedeuten würde, daran wollte keiner der beiden denken. Aber Züge würden hier wohl eher selten fahren, so einmal die Woche, meinte Mohammed. Am Ende der Schlucht konnten sie den Bahndamm dann endlich über eine Rampe wieder verlassen und waren sichtlich erleichtert. Nach einigen weiteren Durchbrüchen zwischen den bizarren Bergen kamen sie zu einer verlassenen Bergwerkssiedlung. Von Weitem sahen sie zwei Hunde herumstreunen. „Dort müssen Menschen sein“, sagte Mohammed. Tatsächlich sahen sie hinter einer alten Abraumhalde
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