Steinfest, Heinrich
vernünftig? Da steht ja nirgends
angeschrieben, daß das ein Polizeiauto ist."
"Grüne Autos werden nicht gestohlen", stellte
Landau fest. Mehr sagte sie nicht, sondern nahm auf dem Fahrersitz Platz,
welcher mittels zweier Polster erhöht war. Kepler wurde in die Mitte
geschoben. Seine stehenden Ohren entwickelten im Licht eine markante Transparenz
und präsentierten eine Palette von Pfirsichfarben.
Während Rosenblüt sich anschnallte und den Innenraum
betrachtete, nicht zuletzt das tannenförmige Duftbäumchen, das vom Rückspiegel
hing, sagte er: "Mir kommt es vor, als hocke ich in einem Zeitloch."
"Vielleicht ist es ja mehr eine Zeitfalle",
meinte Landau und startete den Wagen. Sie besaß diese typische Haltung
autofahrender Frauen, nämlich, sich sehr nahe am Steuer aufzuhalten, die Nase
fast an der Scheibe, während Männer sich gerne nach hinten lehnen, um auf diese
Weise ihre souveräne Gelassenheit zu zeigen, auch wenn man manchmal meinen
könnte, sie haben eigentlich Angst vor dem Verkehr, vor dem eigenen Auto,
Angst um ihre Nase.
Landau hatte ganz sicher keine Angst um ihre Nase, wie sie
da hoch auf ihrer Unterlage saß und, wie alle VW-Bus-Fahrer, besten Blick auf
die Straße hatte, ohne erst über eine lange Motorhaube schauen zu müssen.
Rosenblüt beachtete den Verkehr nicht. Er kannte ihn ja
von früher. Straßenverkehr gehörte zu den Dingen, die niemals besser wurden,
immer nur schlechter, egal, was getan und geändert wurde. Der Straßenverkehr
gehörte zu den Naturkatastrophen, deren Sinn ganz sicher nicht darin bestand,
auszubleiben.
Worauf Rosenblüt nun allerdings sehr achtgab, war Landaus
Fahrweise, die eine hochkonzentrierte darstellte. Die zierliche Kriminalhauptmeisterin
sprach kein Wort, war ganz in die Sache verstrickt, ganz damit beschäftigt,
eine gute Position inmitten des heftig bewegten automobilen Schwarms zu
erlangen und sich dem Ziel in effektiver Weise zu nähern.
Das zweite, dessen sich Rosenblüt bewußt wurde, war
Landaus Busen. Diesen mochte er schon vorher bemerkt haben, doch erst jetzt
war er in der Lage, richtig hinzusehen. Teska Landau hatte nämlich einen für
ihren zarten, fast knabenhaft geraden Körperbau ziemlich großen Busen. Nun
hatte Rosenblüt das zwar nicht zu interessieren, es interessierte ihn aber
trotzdem. Ohne darum als ein Fetischist in der Busenrichtung gelten zu müssen,
war es ihm gar nicht gleichgültig, was für einen Busen eine bestimmte Frau
besaß. Sosehr dieser Körperteil ein Produkt der Natur und der Gene sein
mochte, stellte er eben auch ein Zeichen dar, ein Merkmal, einen
physiognomischen Ausdruck, wie man das bei Augen und Nasen und Mündern
durchaus zu erkennen meint. Leider wird die weibliche Brust gerne auf ein
simples Geschlechtsmerkmal reduziert, welches mal so und mal so ausfällt,
wenige poetische und viele häßliche Beschreibungen erfährt, aber im Grunde
niemals als Ausprägung einer charakterlichen Tendenz empfunden wird. Doch
genau das ist der Fall.
Zumindest war dies Rosenblüts Anschauung, die irgendwo zu
verlautbaren er sich freilich verkniff. Als Sexist dazustehen, wäre nicht so
schlimm gewesen, als trotteliger Sexist sehr wohl. Obwohl Sexismus hier sicher
nicht das Thema war, denn der meiste Sexismus ist Ausdruck einer Furcht, und
Furcht hatte Rosenblüt überhaupt keine. Er fragte sich allein, wie er diese
relativ große Brust am Körper dieser relativ kleinen und ausgesprochen schmalen
Frau zu interpretieren habe. Die üppige, bewegliche Form, während sonst alles
an diesem Körper wie von einer Stange gehalten schien, anders gesagt: als würde
jeder Teil dieses Körpers von einem Büstenhalter gestützt werden, nur eben der
Busen nicht (obgleich Teska Landau durchaus einen solchen trug).
Er sagte sich: Ich komme schon noch drauf.
Auf der Suche nach der blauen Fee
"Da wären wir", erklärte Landau, nachdem sie mit
einer feinen Bremsung und ebenso feinen Parkierung den Wagen unmittelbar vor
dem Haus, in welchem Sami Aydin wohnte, zum Stehen gebracht hatte. Sie stieg
jedoch nicht gleich aus, sondern fragte Rosenblüt: "Können Sie mir sagen,
was wir hier tun?"
Es versteht sich, daß Teska Landau darüber informiert war,
daß der eigentliche Fall, der Münchner Fall, einen an die dortige Universität
berufenen Stuttgarter Geologen namens Uhl betraf. Der Mann war offensichtlich
eingeschüchtert worden, indem man seinen Sohn überfallen, beraubt und bedroht
hatte. Nicht aber kannte Landau den Grund für
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