Steinhauer, Franziska
und verließ das Büro.
Paulsen wartete, bis ihre Schritte nicht mehr zu hören waren.
Dann hängte er die Fotos der Babyleiche ab.
Commissario Mendetti entsprach perfekt dem Bild, das Maja Klapproth sich von ihm gemacht hatte. Er war groß, schlank, trug seine dichten, schwarzen Haare in modischer Länge und sah in seinem dunkelgrauen Anzug mit weißemHemd ausgesprochen südländisch aus. Ein Parka schützte ihn gegen den kühlen Wind.
„Ich hoffe, Sie haben an warme Kleidung gedacht. Im Ultental ist schon richtig Winter!“, begrüßte er sie am Flughafen und fuhr sie im Anschluss sofort nach St. Gertraud.
Maja Klapproth war bezaubert.
Das Dorfkirchlein, dessen schmaler Turm sich unbeugsam vor dem finsteren Wald erhob, lag malerisch direkt am Hang, und die Landschaft war vom ersten Schnee leicht überpudert. Hier spürte man plötzlich, dass Weihnachten nicht mehr fern war, während man in Köln an diese Tatsache nur dadurch erinnert wurde, dass Lebkuchen und Spekulatius in den Geschäften auftauchten, dachte sie etwas wehmütig.
Bei einem Cappuccino im Ultnerhof besprachen sie das weitere Vorgehen.
Mendetti zeigte Klapproth noch einmal die Fotos, die seine Mitarbeiter von dem Jungen, den sie für Julian hielten, gemacht und ihr geschickt hatten.
„Das ist einer unserer Vermissten, kein Zweifel! Julian.“
„Gut. Dann haben wir immerhin schon einen von ihnen gefunden. Diesen Mario Hilbrich dagegen konnten wir noch nicht identifizieren.“
„Das ist bei dem Foto, das wir von ihm haben, auch schwierig. Es ist alt, und so richtig deutlich zu sehen ist er darauf auch nicht“, tröstete Klapproth, „aber ich bin sicher: Wenn Julian hier ist, ist Mario ebenfalls hier!“
„Julian Baier“, der Commissario wies mit dem Zeigefinger auf das Foto, und Klapproth bemerkte überrascht, dass seine Fingernägel sorgfältig poliert waren, „geht regelmäßig im Dorf spazieren und macht dabei einen überaus gut gelaunten Eindruck“, erzählte Mendetti.
„Ja, aber wie schon gesagt, wäre es im Fall einer Entführung denkbar, dass Julian sich frei im Dorf bewegen kann, während Mario in der Gewalt der Entführer bleibt – und umgekehrt. Vielleicht wird der Junge bei seinen Spaziergängen im Dorf beobachtet. Wenn ich ihn nun direkt anspreche, könnte das fatale Folgen haben.“
„Das Risiko besteht natürlich. Vielleicht könnten Sie ihm eine unauffällige Frage stellen – nach etwas, was hier ganz normal wäre. Sie könnten ihn zum Beispiel nach dem Weg zu den Urlärchen fragen. Viele Touristen kommen extra wegen dieser Bäume hierher.“
„Urlärchen?“
„Ja. Drei legendäre Bäume, von denen man sagt, sie seien über zweitausend Jahre alt.“
„Was! So alt? Dann standen die wohl schon vor Christi Geburt!“
„So steht es zumindest in den Reiseführern. Aber Untersuchungen lassen bezweifeln, dass sie wirklich so alt sind. Aber das verraten wir natürlich niemandem – die Lärchen sind eine Touristenattraktion und bleiben deshalb auch weiterhin ein Naturdenkmal. Direkt nach dem Ortseingang führt eine Straße über den Bach, und danach windet der Weg sich am Hang entlang. Wenn Sie die Bäume also besuchen wollen …“
„Wie kommt St. Gertraud denn mit den Satanisten zurecht?“, lenkte Klapproth das Gespräch wieder auf ihre Ermittlungen zurück. „Gibt es keine Probleme?“
„Natürlich gibt es Ärger. Ein Mann wurde in seinem Haus überfallen und mit einem Holzscheit niedergeschlagen. Man glaubt allgemein, die Satanisten seien dafür verantwortlich. Leider hat das Opfer den Angreifer nicht gesehen. Der Schlag wurde von hinten ausgeführt.“
„War ja klar, dass die Menschen im Dorf nun für alles, was passiert, erst einmal die Satanisten verantwortlich machen werden. Das überrascht mich nicht! In Köln wurde die Sekte mehrfach angezeigt, weil ihre Nachbarn glaubten, im Tempel würden Menschenopfer zelebriert. Natürlich haben wir nie einen Hinweis darauf gefunden.“
„Ach herrje. Die alte Geschichte!“
„Ja. Sie scheint sich ins kollektive Gedächtnis der Menschheit eingegraben zu haben!“, lachte Klapproth.
„Das Dorf ist jedenfalls gespalten. Die Satansjünger haben auf die Zufahrtsstraße zu ihrem Hof ,Teufelssprüche‘ geschrieben – mit roter Farbe. Und einige im Dorf behaupten, die Satanisten wollten den Geist der Platzgrummer beschwören, die einst im Widum getötet wurde, um den Namen des Mörders von ihr zu erfahren. Dieser Gedanke gefällt nicht allen. Nun ja. Es
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