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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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bis alle Gläubigen die Kirche betreten hatten, und schloss sich ihnen dann an.
    Vorsichtig schob sie sich in die letzte Reihe, nickte Freunden und Bekannten zu. Ihren Vater konnte sie nirgendwo entdecken – er verspätete sich seit Neuestem öfter. Missbilligend verzog sie die Lippen. Gerade in Zeiten wie diesen sollte die Gemeinde sich geschlossen hinter dem Pfarrer versammeln und auf Gottes Rat hoffen.
    Pfarrer Weißgerber wartete ungeduldig darauf, dass Ruhe einkehrte.
    Mit ausgebreiteten Armen stand er vor dem Altar. Seine eisgrauen Augen fixierten jeden eindringlich, forschend und ein wenig drohend.
    „Und der Herr stürzte Lucifer, den Engel des Lichts, aus den himmlischen Sphären! Bedauerlicherweise landeten er und seine Anhänger ausgerechnet in St. Gertraud! Menschen, die den Teufel in all seinen dunklen Facetten lieben, die zu ihm beten, die seine Unterstützung für ihre Pläne erflehen! Gott schütze uns!“
    „Gott schütze uns!“, bekräftigte die Gemeinde.
    „Nur diejenigen, die stark sind im Glauben, werden dem schwefligen Odem des Satans standhalten können! So prüfe ein jeder von euch mit Sorgfalt, wie unerschütterlich er an die Weisheit, Allmacht und Güte Gottes glaubt! Und wer in seinem Inneren zweifelt, der komme zu mir, und wir sprechen darüber! Keiner, der zweifelt, begebe sich in den Einflussbereich des Bösen – denn es wird versuchen, ihn mit Lügen zu umgarnen, seinen Widerstand zu brechen und seine Seele zu rauben! Wer gesündigt hat, der kommezu mir und beichte! Er wird die Güte des Herrn im Verzeihen erfahren und nicht willfährige Beute des Bösen werden. Ihr wisst, dass ich euch normalerweise zu Toleranz und Mitmenschlichkeit aufrufe. Doch diesmal will ich eine Ausnahme machen. Ich rufe euch zu: Ein jeder tue gegen diese Satansanhänger, was ihm gegeben ist, ohne Gewalt anzuwenden! Meidet den Umgang mit ihnen, sprecht sie nicht an, lasst euch nicht ansprechen. Bedenkt, dass auch Eva einst den süßen Einflüsterungen Satans erlag! Jagt sie von euren Höfen! Wo Satan umgeht, wird die Milch sauer, das Korn verdorrt, und Plagen suchen die Menschen heim! Gott schütze euch!“
    „Gott schütze uns!“, gaben die Gläubigen zurück.
    Der Pfarrer schwieg einen Moment, und es schien, als versuche er sich zu sammeln. Erwartungsvoll verfolgte die Gemeinde seine bedächtigen Schritte durch den Mittelgang und wieder zurück zum Altar, wo er sich schwungvoll wieder umdrehte.
    „Doch diese Gemeinde wird nicht nur durch die Anwesenheit der Vertreter der Mächte der Finsternis erschüttert. Eure Herzen sind von Wut und Hass zerfressen auf einen Mann, der in unsere Gemeinschaft zurückkehren will. Er und seine beiden Kinder ersuchen um Wiederaufnahme. Doch ihr möchtet sie nicht gewähren! Weil ihr glaubt, ihr könntet einen Mörder in eure Mitte aufnehmen. Einen, dessen Tat noch immer ungesühnt ist.“
    „Na, das wäre ja dann nicht der Erste!“, ließ sich eine Männerstimme deutlich vernehmen – die jedoch nicht zu identifizieren war. Einige vermuteten, der Metzger habe diese Bemerkung gerufen, doch der saß friedlich schlafend auf seinem Platz. Selbst als seine Frau ihn unsanft mit dem Ellbogen in die Seite stieß, wachte er nicht auf.
    Und Dr. Gneis, der für Zwischenrufe dieser Art immer infrage kam, schaute so unbeteiligt, dass er nicht ernsthaft unter Verdacht geriet.
    „Gestern wurde dieser Mann heimtückisch überfallen, in seinem eigenen Hause niedergeschlagen! Nur dank Gottes Hilfe und Gnade entkam er dem Tod. Hat Satan womöglich schon seine Klauen nach euch ausgestreckt?“
    „Nein!“, Berta erhob sich. „Den Schuldigen für diesen Anschlag können wir wohl getrost bei der neuen Sekte vermuten.“
    „Mag sein“, antwortete der Pfarrer, „doch auch wer sich über das Unglück eines anderen freut, handelt gegen Gott! Bedenkt das! Gott schütze diese Gemeinde!“
    „Gott schütze uns!“
    „So lasset uns beten! Herr im Himmel, sieh hinunter auf deine geplagte Herde. Gib ihr die nötige Kraft, allen Anfeindungen zu widerstehen. Weise ihr den Weg der Liebe und lasse in ihren Herzen Güte walten. Schütze sie vor dem Bösen und unterstütze sie in ihrem Bemühen, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden. Diese Menschen suchen Ruhe und nicht den Zwist mit ihren Nachbarn. Lass deinen Geist über ihnen schweben und erleuchte ihren Weg!“
    „In diesem Ort ist alles möglich! Selbst Pfarrer mor…“ An dieser Stelle wurde der Zwischenrufer rüde durch einen

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