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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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in das Haus gelangen würden.
    „Aua! So ein Mist!“, schimpfte Anna und rappelte sich mühsam wieder auf.
    Hinter einem Holzstapel tauchte unerwartet das lachende Gesicht eines Fremden auf.
    „Kann ich dir helfen? Hast du dich verletzt?“, fragte der junge Mann besorgt.
    Anna schüttelte den Kopf.
    „Nein, nur die Hose ist hinüber.“ Sie zog den Hosenstoff mit spitzen Fingern auseinander und inspizierte ihr Knie. „Und eine blutende Schürfwunde hat’s auch gegeben!“
    Julian bot ihr ein Päckchen Papiertaschentücher an. „Danke. Ist aber auch wirklich zu blöd. Jedes Mal, wenn ich hier entlangfahre, falle ich hin! Es ist schon das dritte Mal innerhalb von zwei Wochen!“
    Julian begann in der Zwischenzeit, ihre verstreuten Einkäufe einzusammeln und in den Korb zurückzulegen.
    Verstohlen betrachtete er das Mädchen, während er das Fahrrad aufhob und eingehend auf Schäden hin überprüfte.
    Unter einer bunten Strickmütze fiel langes, dunkles Haar hervor. Ihr Teint war rosig, der Mund breit und zu einem unbeschwerten Lächeln verzogen. Unter hohen, geschwungenen Augenbrauen musterten ihn dunkelbraune Augen amüsiert.
    „Na, alles gesehen?“
    „Nein, das Meiste ist unter der Kleidung verborgen!“, gab Julian lachend zurück, klemmte sich das Vorderrad zwischen die Beine und richtete den Lenker mit einem kräftigen Ruck neu aus.
    „Frech bist du also auch noch! In den Märchen sind die Retter immer viel zurückhaltender und von ausgesuchter Höflichkeit!“
    „Tja, was soll ich sagen? Die Zeiten ändern sich eben und mit ihnen ihre Helden!“, rechtfertigte er sich.
    Anna probierte aus, ob sie ihr Knie weit genug beugen konnte, um weiterzufahren.
    „Jetzt muss ich auch noch zu Fuß gehen!“, schimpfte sie und stützte sich auf ihr Rad. „Der dritte Sturz aufs Knie war dann wohl doch des Guten zu viel. Ich muss hier nach links. Vielen Dank für deine Hilfe“, sie reichte ihm zum Abschied einen Apfel. „Wie heißt du eigentlich?“
    „Julian.“
    „Ich bin Anna! Anna Buchwald.“
    Ohne es recht zu bemerken, war Julian mit ihr nach links abgebogen.
    „Das ist nicht deine Richtung. Du wohnst doch auch dort oben bei den ,bösen Jungs‘, oder?“ Sie deutete auf das Haus der Sekte.
    „Ja, aber ich begleite dich lieber noch ein Stück, für den Fall, dass du noch einmal fällst.“
    Albern kichernd machten sie sich gemeinsam auf denWeg zum Hof der Buchwalds. Auf der Straße sprach sie eine Touristin an und fragte nach dem Weg zu den Urlärchen, den Anna ihr sofort beschrieb. Die Dorfbewohner wechselten beim Anblick der beiden dagegen die Straßenseite.
    „Du wirst Ärger bekommen“, prophezeite ihr Julian. Doch Anna winkte gelassen ab. „Ich gelte als schwer erziehbar. Meine Eltern sind Kummer gewohnt.“
    Diese Einschätzung erwies ich jedoch als zu optimistisch, denn kaum hatten sie den Buchwaldhof erreicht, hetzte der Bauer auch schon seinen Hund auf Julian, und Anna wurde von den Pranken ihres Vaters gewaltsam ins Haus gezerrt, während der geifernde Hund hinter dem Tor tobte und durch die Zaunlatten hindurch versuchte, nach Julians Bein zu schnappen.
    Zur selben Zeit saß Dr. Gneis Jakob und seinen Kindern gegenüber.
    „Nun, es wird kein Zuckerschlecken, wie gesagt.“
    „Zu schade, dass ich nicht erkennen konnte, wer mich niedergeschlagen hat!“
    „Ja, das ist wirklich bedauerlich!“ Dr. Gneis hob mahnend seinen Zeigefinger. „Es ist ziemlich gefährlich in St. Gertraud!“
    „Eigentlich nicht. Die Fronten sind jetzt klar. Ich weiß nun, wie weit sie gehen werden“, antwortete Jakob trotzig.
    Helene betrachtete ihren Vater nachdenklich.
    „Ja, bis zum Mord!“, kommentierte sie dann trocken. „Mag sein, aber Papa hat Recht. Wir wissen jetzt, wozu die St. Gertrauder fähig, sind und können uns entsprechend schützen. Ich bin dafür, noch heute auf den Hof zu ziehen!“, verkündete Heiko.
    „Und willst dich bei jedem Knacken im Gebälk hastig umsehen, weil vielleicht wieder einer mit einem Holzscheit hinter dir stehen könnte?“ Dr. Gneis fühlte, wie Zorn in ihm aufstieg. Pubertäre Kinder und ein uneinsichtiger, verbohrter Witwer, da hatte die „Stimme der Vernunft“ keine Chance, erkannte er. „Helene?“
    Das Mädchen zögerte.
    Dr. Gneis beobachtete, wie sie unter dem Tisch die Hände ineinanderschlang und sich feine Schweißperlen an ihrem Haaransatz und über der Oberlippe bildeten.
    „Du kannst sicher auch hier bei deiner Tante bleiben“, bot er ihr eine

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