Steinhauer, Franziska
bestätigte auch Julian und zwinkerte seinem Freund zu.
„Wir wissen sehr gut, was Nocturnus bei Einsätzen dieser Art von uns erwartet: die Beseitigung von Zeugen. Also, lasst uns unseren Job erledigen!“, forderte auch Mario und fragte sich, ob sie diesmal den Moment miterleben würden, an dem das Leben aus einem Körper wich. Viel davon schien ohnehin nicht mehr vorhanden zu sein.
Sie mussten sich beeilen.
„Packt ein, was in die Rucksäcke passt. Und im Übrigen: Hier gilt mein Wort! Wenn ich sage, tut dies oder tut das, ist es so, als ob Nocturnus selbst euch anweist! Und welchen Schaden er mit seiner Peitsche anrichten kann, wenn er sich über mangelnden Gehorsam ärgert, seht ihr an Kevins Gesicht!“
Kommentarlos kamen die drei nun seiner Aufforderung nach und machten sich wieder an die Arbeit. Schweigend und ohne zu zögern. Nach wenigen Minuten waren sie fertig.
Beim Verlassen der Kirche überzeugten sie sich davon, dass der Pfarrer noch am Leben war.
„Schade!“ Robert sah enttäuscht auf die reglose Gestalt hinunter.
Was dann geschah, war Dirk Stein auch Stunden später noch vollkommen unbegreiflich.
Mario bückte sich und hob die Stablampe des Pfarrers auf.
„Ja, wirklich schade! Der Heuchler und Verführer hat es nicht verdient, am Leben zu bleiben. Hätte Satan nicht gewollt,dass er stirbt, wäre er nicht genau zu dieser Zeit hier aufgetaucht. Ich sage: Das ist ein Zeichen! Wenn wir es ignorieren, fallen wir in Ungnade! Es ist ein Geschenk an uns! Satan hat ein Auge auf uns geworfen, hat Nocturnus gesagt. Ich wette, er schickt uns einen Pfarrer, um unseren Kontostand zu erhöhen!“
„Jawohl!“, zischte Julian und trat kraftvoll zu. „Nein!“, schrie Stein.
Doch die drei waren nicht mehr aufzuhalten. Undeutlich nahm Stein wahr, dass sie wie entfesselt traten und zuschlugen.
Mario benutzte seine Lampe als Waffe, drosch mit aller Kraft auf den Kopf des Mannes ein. Robert verwendete eines der Kreuze aus dem Rucksack.
Eindeutige Geräusche belegten, dass der Schädel den anhaltenden Misshandlungen nicht standhielt.
Der Kunstkritiker drehte sich wortlos um und überließ den Pfarrer seinem Schicksal.
Schweigend machte er sich auf den Rückweg zum Parkplatz, verfolgt vom befriedigten Keuchen der Schläger, dem dumpfen Geräusch von Schuhen, die gegen einen Körper traten, dem Schmatzen, dass entstand, wenn die Tatwerkzeuge tiefe Wunden ins Fleisch rissen.
Dirk Stein beschleunigte seine Schritte.
Die Gedanken hinter seiner Stirn jagten sich. Ihn graute.
Ausputzer waren das keine.
O, nein. Das nicht.
Blutrünstige Mörder! Killer!
Eiskalt.
34
Maja Klapproth starrte wütend auf ihr Handy. „Fabian! Warum willst du nicht zu dieser Kur fahren? Das wäre doch eine Gelegenheit, neue Leute kennen zu lernen.“
„Behinderte wie mich! Kranke! Rekonvaleszente! Leute, die andere mit Gesprächen über ihren Gesundheitszustand nerven, über ihre Verdauung reden. Nein!“
„Hast du nicht gesagt, Tim könne dich begleiten? Dann wird er dir all diese unbequemen Gespräche vom Leib halten.“
„Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben! Warum fällt es euch so schwer, das zu akzeptieren?“
Maja schluckte.
Sie dachte an die erste Zeit nach dem Koma, als Fabian seine Beine nicht mehr gespürt, im Bett gelegen und geweint hatte.
Einen „relativ hohen Querschnitt“ nannten die Ärzte das, was ihren Bruder für immer an den Rollstuhl fesseln würde. Einen sportlichen jungen Mann, der seine Zukunft in jenen Monaten nur noch schwarzgesehen hatte.
Sie hatte tagelang an seinem Bett gesessen, seine Hand gehalten und in sich selbst diese grauenhafte Leere gespürt, die dennoch mit seiner nicht zu vergleichen war. Der Entzug hatte deutliche Spuren bei ihr hinterlassen. Knochig, mit eingefallen Wangen und tief liegenden Augen, von dunklen Ringen umschattet, bot sie nicht gerade den gesündesten Anblick.
„Maja!“, hatte Fabian eines Tages geflüstert, „wenn du Sport treibst – für uns beide – und in dein Leben zurückfindest, dann werde ich das auch tun.“
Ein heiliger Eid.
Mit dem Schönheitsfehler, dass sie ihren Part erfüllt, er den seinen aber hatte schleifen lassen.
„Fabian, du hast es versprochen!“, mahnte sie ihn jetzt. „Dass ich solch eine Kur mache? Nie! Daran würde ich mich ja wohl erinnern!“
„Du wolltest in ein neues Leben zurückfinden.“
„Ja. Hab ich doch. Es ist das wenig abwechslungsreiche Dasein eines gelähmten Mannes, der für die einfachen Dinge
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