Steinhauer, Franziska
Zusammenkunft beenden, haben wir noch etwas anderes zu tun.“Die Jünger wandten ihre Aufmerksamkeit wieder ganz dem Hohepriester zu.
„Wir wurden von den Bewohnern des Seniorenheims gegenüber angezeigt – schon zum dritten Mal. Lasset uns dieses Heim und seine Bewohner verfluchen, und der Zorn Lucifers wird sich über ihnen entladen! Lasst mich eure Formeln hören!“
Die Kinder Lucifers griffen nach den Zetteln und Stiften unter ihren Sitzen und schrieben ihre Verwünschungen auf.
Phobius ging umher und sammelte die Zettel in einem schwarzen Weidenkorb ein.
Nocturnus zog den ersten heraus und las:
„Möge das Feuer der Hölle sie bei lebendigem Leibe verschlingen!“
„Deleatur et igni tradatur!“ Nocturnus hielt den Zettel in die Flamme der weißen Kerze auf dem Opferstein und verbrannte ihn.
So verfuhr er mit jedem der Flüche, bis das Körbchen leer war.
„Zeigt euer Mal und sprecht mir nach: Ich schwöre bei meinem Leben und der Freiheit meiner Seele …“, forderte er dann.
Der Chor wiederholte seine Worte.
„… Stillschweigen zu bewahren über alles, was ich gesehen und erfahren habe!“
Wieder antwortete ihm der Chor.
„Denn wisset! Der Arm Lucifers ist lang!“ Seine Stimme hallte wie der Donner vor einem schrecklichen Gewitter. „Er wird Schergen und Dämonen aussenden und den Tod des Verräters zu einem langsamen Sterben dehnen! So lang, bis dieser sich wünscht, niemals geboren worden zu sein! Vergesst niemals: Lucifer kennt einen jeden von uns, erführt Buch über euch und beobachtet jeden eurer Schritte! Salve Satanas, Salve Lucifer!“
Kevin Baumeister schloss die Augen. Sein Körper wurde von einem heftigen Zittern erfasst. Ja, dachte er euphorisch, ja, Lucifer und Satan haben mich berührt!
„Nocturnus, du wolltest mich sprechen?“ Kevin Baumeister neigte demütig seinen Kopf und küsste den Ring mit der Satansfratze.
„Mir wird es in Köln zu unruhig. Hier beobachten uns die Leute voller Argwohn, und das behindert uns in allen Aktivitäten. Ich habe bereits den Auftrag erteilt, für die Kinder Lucifers eine neue Heimat zu suchen.“
„In Berlin?“, fragte Kevin hoffnungsvoll und sah Nocturnus aus seinen leuchtend blauen Augen forschend an.
„Nein. Wir werden es mit einem kleinen Ort weitab versuchen. Wenn wir – praktisch zur Begrüßung – eine großzügige Spende leisten, wird man sich vielleicht leichter mit unserer Anwesenheit abfinden.“
„Und die Projekte?“, fragte sein blonder, hochaufgeschossener Diener skeptisch. „Die werden wir von einem kleinen Ort im Nirgendwo aus nicht mehr so gut betreuen können.“
„Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen! Denken sollte nur, wem die Gabe dazu verliehen wurde!“, polterte Nocturnus ungehalten, und Kevin neigte unterwürfig seinen Kopf.
Er hatte seine Kompetenzen überschritten.
Nocturnus war zu Recht streng mit ihm.
„So lange, bis wir ein neues Quartier gefunden haben, läuft alles weiter wie geplant. Vergiss nicht, wenn Lucifer sieht, wie stark wir sind, wird er uns immer neue Wegeweisen, unsere Kraft zu mehren. Nur Schwache und Ängstliche wischt er vom Tellerrand!“
„Für übermorgen ist die Satansnacht auf dem Hauptfriedhof geplant. Ich habe schon das Übliche vorbereitet.“
„Sorg dafür, dass alles so abläuft wie immer. Du wirst einstweilen niemandem von den Umzugsplänen erzählen. Ich wünsche keine Unruhe unter den Jüngern!“
„Werden die neuen Anwärter die letzte Stufe der Entwicklung noch hier erreichen, oder wird das schon an jenem neuen Ort geschehen?“
„Meine diesbezügliche Entscheidung wird dich rechtzeitig erreichen. Geh jetzt!“, Nocturnus’ Stimme verriet seine Ungeduld, und Kevin Baumeister erkannte, dass es klüger war, nicht weiter in ihn zu dringen, wollte er nicht riskieren, eine von Nocturnus’ Strafaktionen herauszufordern.
Unwillkürlich fuhr seine Rechte zu seinem Gesicht.
Nocturnus brach zu einem seiner allnächtlichen Rundgänge auf.
In einem schallgedämmten Raum hinter dem Tempel kauerte eine junge Frau. Als Nocturnus eintrat, sprang sie auf und verneigte sich tief vor ihm. Auf dem Tisch vor ihr lag ein Neugeborenes, die Augen waren geschlossen, der Körper bläulich und unbedeckt.
„Ist es das?“
„Ja, gezeugt für Satan, geboren ihm zu Ehren. Der Vater ist Jünger Satans, die Mutter eine Hexe! Die Frucht meines Leibes ein Geschenk an den Herrscher der Finsternis!“
„Du kannst gehen!“
Die Frau drehte sich um und ging
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