Steinhauer, Franziska
dann nur die Platzgrummer umgebracht und ihn nicht? Er hat die Einbrecher seiner eigenen Aussage nach gesehen! Also hätte er die beiden auch wiedererkannt!“
„Na, wenn’s am Ende doch der Pfarrer war, sind die St. Gertrauder ja allesamt aus dem Schneider. Männer wie Frauen!“, gibt die junge Kellnerin schnippisch zurück.
„Ja, aber was, wenn es eben doch einer von uns war?“
„Oh, ein Besuch bei einem Menschen, der sich am Rand der Gesellschaft aufhält! Welche Ehre!“
Fabian rollte ins Wohnzimmer.
„Hallo, Maja“, rief Tim, der Pfleger, der längst Fabians einziger Freund war. „Er ist schon die ganze Zeit so drauf!“
„Nun hör schon auf zu petzen! Tim ist nur sauer, weil er heute hier übernachten soll! Dabei brauche ich nichts so wenig, wie ein Kindermädchen!“ Der Bruder verzog das Gesicht. „Du kommst spät!“
„Ich arbeite.“
„Oh ja, ich erinnere mich. Maja, die Kämpferin für Recht und Gesetz! Wen hast du diesmal hinter Gitter gebracht?“
„Noch niemanden, Fabian. Wir ermitteln gegen eine satanistische Sekte.“
„Das ist ja nun mal wirklich spannend. Die bringen die Dinge wenigstens auf den Punkt. Ich bin sicher, manch einer unserer Politiker würde einige ihrer Positionen auch gern vertreten, nur kommt das nicht gut, im Wahlkampf. Obdachlose, Behinderte – die kosten doch nur und leisten nichts! Soweit ich weiß, sind einige Satanisten sogar für das komplette Ausrotten dieser Lebensformen!“ Fabian grinste maliziös.
„Darum geht es in unserem Fall aber nicht, sondern um den Vorwurf, sie hätten einen rituellen Babymord vorgenommen.“
„So etwas Besonderes ist ein Babymord nun auch wieder nicht. Steht doch beinahe täglich in der Zeitung. Ich bin enttäuscht!“
Tim brachte ein Tablett mit Gläsern und Getränken. „Eine unheimliche Gruppe. Mit einem Tempel im Keller.“
„Habt ihr das Baby gefunden? In einer schwarzen Tiefkühltruhe?“
„Nein – es gab keinen Hinweis auf ein Baby.“
„Ihr habt gründlich nachgesehen?“
„Leichenspürhunde und Drogenhunde, das ganze Programm. Ohne Ergebnis!“
„Tja – noch so eine Sekte, die von mir nichts wissen will! Die Einzigen, die mich gerne in ihre Klauen kriegen wollen, sind die Psychiater! Wie langweilig!“ Fabians Gesicht war ungewöhnlich ernst, sein Tonfall bitter.
„Fabian, ich weiß, ich sollte mehr Zeit …“
„Ach Quatsch! Deine Arbeit sorgt dafür, dass es Menschen wie mir an nichts fehlt! Irgendjemand muss ja für die Staatskasse arbeiten!“
„Ich glaube, wir sollten mal wieder gemeinsam einen Ausflug machen. Damit du auf andere Gedanken kommst!“
„Mutter?“ Fabian schüttelte den Kopf. „Sie hat dich hergeschickt?“
Klapproth nickte.
„Wann willst du endlich aufhören, dir Schuldgefühle einreden zu lassen! Wenn jemand im Drogenrausch vom Balkon springt, ist er selbst schuld!“, empörte sich Fabian.
Maja schüttelte den Kopf. Drogen gab es in ihrem Leben seit jenem Abend nicht mehr.
Damals war ihr letzter Trip gewesen.
Ein Horrortrip, der kein Ende nehmen wollte.
„Du vergisst da eine Kleinigkeit“, flüsterte Maja, „es waren meine Drogen, die du probiert hast, aus meiner Tasche!“
5
Der Notruf ging um 2:17 morgens bei der Leitstelle der Feuerwehr ein.
Eine zittrige Stimme meldete einen Brand in der Nikolausstraße. Es sei wohl eine Alteneinrichtung betroffen, jedenfalls würden viele verwirrte, alte Menschen in Pyjamas und Nachthemden auf der Straße herumlaufen, und aus dem Haus seien verzweifelte Schreie zu hören. Der aufgeregte Anrufer riet den Feuerwehrleuten zur Eile.
Das, was der Einsatzleiter Sebastian Krumm bei seinem Eintreffen vorfand, entsprach nur in groben Zügen dem Bild, das der Anrufer gezeichnet hatte. Die Wirklichkeit war schlimmer. Er sah eine alte Frau in durchsichtigem Nachthemd barfuß und orientierungslos den Gehweg entlanglaufen. Rasch gab er Anweisung, sie zu einem der Rettungswagen des Roten Kreuzes zu bringen. Es war um diese Jahreszeit bereits empfindlich kalt in den frühe Morgenstunden.
Ein alter Mann, nur mit Pyjamahose bekleidet, saß auf der Bordsteinkante und schrie ohne Unterlass, ein anderer lief hin und her und versuchte die Passanten davon zu überzeugen, dass ein Bombenangriff erfolgt sei und sie eilig in die Sicherheit der Bunker fliehen müssten, die nächste Angriffswelle stünde unmittelbar bevor.
Der flackernde Schein des Feuers tauchte die gesamteStraße in ein unheimliches Licht, das große, unheimliche
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