Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
Vom Netzwerk:
in Richtung Tür, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
    Sie hatte den Raum noch nicht verlassen, da hörte sie den Sektenführer verächtlich ausrufen: „Ein Mädchen!“
    Ein widerliches Knacken erfüllte den Raum.
    Die Frau versteifte sich kurz, ging dann aber ohne erkennbare Regung weiter.
    „Satan wünscht sich einen Sohn!“, dröhnte Nocturnus’ Stimme.
    Laut hallten seine zornigen Schritte durch die Gänge, als er sich entfernte.
    „So! Damit ist wohl klar, dass es der Martin auch nicht war!“
    Der Sprecher lehnt sich zurück, verschränkt die Arme vor dem ausladenden Bauch und sieht erwartungsvoll in die Gesichter der anderen.
    „Das kannst du gar nicht mit Gewissheit sagen, Friedrich!“, widerspricht ein anderer am Tisch und nippt an seinem Weinglas. „Woher willst du denn jetzt schon wissen, was in Martins Testament steht?“
    „Ich weiß es eben!“, gibt Friedrich zur Überraschung der anderen zurück. Unwilliges Brummen macht sich am Stammtisch im Ultnerhof breit.
    „Wie denn? Wir haben ihn gerade erst unter die Erde gebracht, und das Testament wurde noch gar nicht verlesen! Weißt du, ich glaube, du willst dich nur wichtig machen!“ Klaus funkelt Friedrich wütend an. „Seit mehr als zwanzig Jahren sitzen wir hier nach jeder Beerdigung und fragen uns, ob der Tote möglicherweise der Mörder war. Mir reicht’s jetzt allmählich!“
    „Wenn wir nur Gewissheit hätten! Aber so?“ Volker zuckt mit den Schultern.
    „Also – ich habe vorhin mit Martins Witwe gesprochen. Sie hat das Testament in seinem Schreibtisch gefunden. Und er hat die Sache mit keinem Wort erwähnt!“, trumpft Friedrich auf.
    „Nun, so viele bleiben gar nicht mehr übrig. Die Jungen im Dorf scheiden ohnehin aus, und die Alten …“
    „Vielleicht ist der Täter längst tot und hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen“, meint Christian, und sie verfallen in brütendes Schweigen. Viele sind gestorben, seitdem der Mord an der Hauswirtschafterin des Pfarrers das Tal erschütterte. „Vielleicht war es ja auch eine Frau und Eifersucht das Motiv.“
    „Na, jetzt geht aber die Fantasie ganz schön mit dir durch!“, brummt Friedrich unwillig. „Für so einen Mord kommt eine Frau nicht in Betracht!“
    „Ach nein? Willst du etwa behaupten, du kennst dich mit Frauen aus? Dann wärst du wohl der Einzige von uns!“, meint Christian grantig und denkt dabei an den Streit, den er gerade heute Morgen erst mit seiner Frau gehabt hat.
    „Ich denke, ihr solltet es lassen!“, lacht Reni, die Kellnerin, und stellt einen neuen Krug Wein vor sie auf den Tisch. „Ihr kriegt es eh nicht raus. Niemand wird das. Nicht, solange der alte Pfarrer bei seiner Geschichte bleibt! Und überhaupt! Wen interessiert denn heute noch, wer die Platzgrummer damals umgebracht hat?“
    „Ja, Mädchen! Zu der Zeit warst du noch nicht einmal geplant! Deshalb kannst du auch nicht wissen, was für ein ungeheuerliches Vorkommnis dieser Mord war. Schau, ein solches Verbrechen im Haus des Pfarrers allein wäre schon schlimm genug gewesen – aber der Vertreter der Kirche als Verdächtiger, das war ein Erdbeben mit zerstörerischer Kraft!“, erklärt Friedrich pathetisch. „Alle glauben immer, ein Pfarrer verhält sich stets entsprechend den Geboten, hat Vorbildfunktion und ist eine Institution für Recht und Moral. Bis die Polizei auftaucht und ihn verhaftet, weil er seine dreißig Jahre ältere Wirtschafterin umgebracht haben soll! Aus sexuellen Motiven!“
    Reni winkt gelangweilt ab. Diese Geschichte hat sie schon viel zu oft gehört.
    „Lass gut sein! Zum Fall Steinkasserer erfährt man bei uns doch eh schon alles, bevor man überhaupt Sprechen lernt! Es gab doch auch die Theorie, dass eine Jugendgruppe die Platzgrummer überfallen haben soll. Ein kirchliches Jugendlager oder so, das sich als besonderen Höhepunkt seines Aufenthalts das Eindringen in Pfarrhäuser vorgenommen hat, um dort die Speisekammern leer zu räumen!“, lacht Reni.
    „Diese Geschichte von damals sollte keiner auf die leichte Schulter nehmen!“, entrüstet sich Friedrich. „Wäre es eine Jugendgruppe gewesen, hätten wir längst etwas davon gehört. Einer kann schweigen, vielleicht auch zwei – aber keine Gruppe! Einer hätte angefangen, darüber zu reden! Und an die Sache mit dem Einbruch, die der Pfarrer erzählt hat, konnte von Anfang an niemand glauben. Warum sollten wohl zwei Männer ins Widum einsteigen, dann aber das Geld dort liegen lassen? Und warum hätten sie

Weitere Kostenlose Bücher