Steinhauer, Franziska
Schlafenden.
„Er hat hohes Fieber! Ruf einen Krankenwagen! Schnell!“
Automatisch überprüfte Paulsen die beiden verlassenen Betten im Raum.
Warm!
Sie waren zu spät gekommen, die beiden Jungs wieder entkommen.
Kevin Baumeister jedenfalls konnte ihnen in diesem Zustand keine Fragen beantworten.
Paulsen warf einen Blick auf seine Uhr. Nur noch vierzehn Stunden!
„In fünf Stunden läuft das Ultimatum ab. Die Streifen haben in allen Obdachlosenunterkünften nachgefragt, aber Julian und Mario nirgendwo gefunden. Keiner erkannte sie auf den Fotos. Ihr Gespräch mit diesem Dolorus hat ja auch nichts ergeben! Er habe eben einen Krankenbesuchgemacht! Das sei nicht verboten! Ha! Wenn wir sie jetzt nicht …“
Dr. Glück machte, wie alle anderen, einen übernächtigten Eindruck.
„Die Kollegen überwachen alle Straßen, Fahrrad-und Fußwege im Bereich um die Schule.“ Klapproth deutete den Radius auf der Karte an.
„Dieser Psychologe war doch ohnehin der Auffassung, die beiden würden dort im Vorfeld nicht auftauchen. Ich muss sagen, mir leuchtet seine Argumentation ein. Es wäre doch nur ein vermeidbares zusätzliches Risiko, entdeckt zu werden“, meinte der Staatsanwalt. „Sie kommen erst, wenn es losgehen soll!“
„Deshalb ist an alle Streifenwagen ein Blatt mit Fotos von Julian und Mario verteilt worden – die Aufnahmen zeigen ihre Gesichter in unterschiedlichen Varianten, weil wir nicht sicher sein können, ob sie nicht ihr Aussehen verändern werden. Die Schutzpolizei wurde speziell dafür sensibilisiert, nach jungen Erwachsenen in der jeweiligen Körpergröße Ausschau zu halten und dann die Gesichter zu prüfen. Sie fahren im Moment häufiger als sonst die relevanten Treffpunkte an. Will heißen, sie kontrollieren die bekannten Waffenumschlagsplätze. Vielleicht versuchen die beiden ja, illegale Waffen zu kaufen.“
„Die Schulleitung meint, die meisten Schüler und Lehrer halten sich um die anvisierte Zeit zwischen elf und zwölf in der Mensa auf“, erklärte Paulsen. Auch er hatte dunkle Ringe unter den Augen, bemerkte die Kollegin, ein Umstand, der ihn wohl auch nach der Entbindung noch eine Weile begleiten würde.
„Und wo genau befindet sich die Mensa?“
„Hier.“ Paulsen entrollte einen Plan des Gebäudes. „Bedauerlicherweiseüber mehrere Zugänge von außen gut und zügig zu erreichen.“
„Das bedeutet für uns, dass an jedem Eingang Beamte postiert werden müssen. Es werden nur Beamte im Gebäude sein. Die typischen Schulgeräusche spielen wir über die schuleigene Lautsprecheranlage ein. Mit ein bisschen Glück bemerken die beiden die Falle erst, wenn sie hineingetappt sind.“
„Hoffentlich lassen sie sich täuschen!“
Klapproth probierte mit spitzen Lippen ihren heißen Kaffee und zischte wütend, als sie sich die Zunge verbrannte.
Ihr Handy forderte unerbittlich Aufmerksamkeit.
„Oh, Nikola! Guten Abend!“
„Maja, ist bei dir alles in Ordnung?“
„Wie man’s nimmt“, gab sie tapfer zurück, entschlossen, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen.
„Hast du deine beiden Jugendlichen finden können?“
„Nein, leider noch nicht. Ich verstehe nicht, was in ihren Köpfen vorgeht! Ihre familiären Hintergründe sind problematisch, wenn auch verschieden, sie werden angeworben, töten in Köln, morden in Italien!“ Sie war frustriert. „Und ich habe gedacht, die beiden wären Opfer!“
„Na, in gewisser Weise sind sie das ja auch. Wahrscheinlich denken sie, es gibt für sie ohnehin keinen Weg mehr in ,eure‘ Gesellschaft zurück. Da ist es besser, mit Pauken und Trompeten unterzugehen!“
„Ja, ich glaube, so etwas in der Art denken die beiden. Hoffentlich können wir den Anschlag verhindern! Nikola, wir wissen so gut wie nichts über ihre Pläne!“
„Wenn sie klug sind, werden sie vorab auch nichts mehr von sich hören lassen. Aber meist geht es doch nur um Geltungsstrebenund um öffentliche Aufmerksamkeit! Vielleicht melden sie sich noch einmal vorab“, versuchte der Commissario seine Kollegin aus Köln aufzubauen.
„Danke!“, das Lächeln war sicher bis nach Italien zu hören.
„Wir konnten den jungen Mann aus der Etsch identifizieren. Salvatore Pecchi. Es handelt sich um einen Suizid. Aus Liebe! Zeugenaussagen bestätigen, dass er seit geraumer Zeit versuchte, ein Mädchen für sich zu gewinnen, doch sie war an einer Beziehung mit ihm nicht interessiert. Das hat sie ihm wohl auch mehrfach zu verstehen gegeben, doch er lauerte ihr
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